BERLIN, 12. August (Xinhua) -- Im April hat eine drastische Erhöhung der US-Zölle auf Fahrzeuge aus der EU der europäischen Autoindustrie einen schweren Schlag versetzt, was seitdem zu starken Gewinneinbußen bei den größten deutschen Autobauern geführt und diese dazu veranlasst hat, nach neuen Möglichkeiten in Asien zu suchen.
Ein kürzlich geschlossenes Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten senkte den Zollsatz von 25 Prozent auf 15 Prozent und milderte damit die unmittelbaren Spannungen. Experten warnen jedoch, dass die Atempause nur von kurzer Dauer sein könnte, da hohe Exportkosten und anhaltende politische Unsicherheiten weiterhin auf dem deutschen verarbeitenden Gewerbe lasten und das Vertrauen der Industrie untergraben.
ZOLLSCHOCK DRÜCKT GEWINNE
BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen - die drei größten deutschen Automobilhersteller - meldeten für das erste Halbjahr 2025 alle einen starken Gewinnrückgang und nannten die US-Zölle als einen der Hauptgründe für die schlechten Ergebnisse.
BMW gab bekannt, dass der Konzernumsatz im Vergleich zum Vorjahr um 8,2 Prozent zurückgegangen ist, während der Nettogewinn um 29 Prozent einbrach. Das Unternehmen verwies auf die erhöhten Zölle als einen der Hauptgründe für die schwächeren Margen in seinem Kerngeschäft, dem Autobau. Mercedes-Benz verzeichnete einen Einbruch des Nettogewinns von rund 6,1 Milliarden Euro im Vorjahr auf rund 2,7 Milliarden Euro.
Der Volkswagen-Konzern meldete einen leichten Umsatzrückgang von 0,3 Prozent. Besonders hart traf es die Premiummarke Porsche, die allein im ersten Halbjahr rund 400 Millionen Euro an zusätzlichen Zollkosten verbuchen musste.
Auch der Cashflow steht unter Druck. Laut der Financial Times könnte der freie Cashflow der drei Unternehmen in diesem Jahr um bis zu zehn Milliarden Euro schrumpfen, wobei sowohl die Zollkosten als auch die allgemeine wirtschaftliche Lage eine Rolle spielen.
Trotz der jüngsten Zollsenkung bleibt die Stimmung in der Branche gedämpft. Mehrere Unternehmen haben ihre Prognosen für 2025 bereits nach unten korrigiert. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sagte, dass die Autohersteller trotz der Senkung jedes Jahr mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe rechnen müssten, was angesichts des entscheidenden Übergangs zur Elektrifizierung eine schwere Belastung darstelle.
Sigrid de Vries, Generaldirektorin des Verbandes der Europäischen Automobilhersteller (ACEA), warnte, dass die anhaltend hohen US-Zölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie untergraben, die US-Lieferketten stören und den Verbrauchern schaden würden.
TIEFGREIFENDE STRUKTURELLE HERAUSFORDERUNGEN
Der Gewinneinbruch der deutschen Automobilhersteller ist nicht nur auf kurzfristige Zollschocks zurückzuführen, sondern auch auf eine Reihe struktureller Herausforderungen.
Die US-Zölle wirken sich auf die gesamte Lieferkette aus. Da die Vereinigten Staaten Zölle in Höhe von 50 Prozent auf importierten Stahl, Aluminium und andere Materialien erheben, geben die Zulieferer die steigenden Kosten an die Hersteller weiter, wodurch die ohnehin schon knappen Margen weiter unter Druck geraten.
Nach Angaben des VDA exportierte Deutschland im Jahr 2024 rund 450.000 Fahrzeuge in die Vereinigten Staaten. Im gleichen Zeitraum produzierten deutsche Automobilhersteller mehr als 840.000 Fahrzeuge in US-Werken, von denen etwa die Hälfte weltweit exportiert wurde. Dieses grenzüberschreitende Produktionsmodell ist besonders anfällig für abrupte politische Kurswechsel.
Volkswagen-Chef Oliver Blume sagte, die US-Werke des Konzerns seien von den Zollerhöhungen stark betroffen und hätten allein im ersten Halbjahr zusätzliche Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zu tragen. Jürgen Rittersberger, Finanzvorstand von Audi, bezifferte die Verluste der Marke aufgrund der Zölle auf rund 600 Millionen Euro.
Seit Anfang 2024 haben mehrere Autobauer und Zulieferer, darunter Ford, Stellantis, Volkswagen, ZF und Bosch, Entlassungen oder Werksschließungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern angekündigt.
Schrumpfende Auftragsbücher sowie steigende Energie- und Arbeitskosten untergraben die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der Region. Gleichzeitig hinken deutsche Autohersteller im Wettlauf um die Elektrifizierung weiterhin ihren US-amerikanischen und chinesischen Konkurrenten hinterher.
AUF DER SUCHE NACH CHANCEN IM OSTEN
Angesichts der wachsenden Unsicherheit und der sich wandelnden Handelspolitik in den transatlantischen Märkten wenden sich immer mehr deutsche Unternehmen China zu, das sie aufgrund seiner regulatorischen Stabilität und klareren Wachstumsaussichten reizt. Durch lokale Produktion, Technologiepartnerschaften und gezielte Investitionen wollen Autohersteller ihre Position in Asien stärken und den Strukturwandel beschleunigen.
Arno Antlitz, Finanzvorstand und Chief Operating Officer von Volkswagen, bekräftigte kürzlich seine Zuversicht hinsichtlich des Ausbaus lokaler Plattformen und Batteriepartnerschaften auf dem chinesischen Markt.
BMW kündigte zudem eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieunternehmen Momenta an, um gemeinsam Fahrerassistenzsysteme der nächsten Generation zu entwickeln, die auf die lokalen Verbraucher zugeschnitten sind.
„Diese leistungsstarke Zusammenarbeit mit Chinas Weisheit untermauert die BMW-Strategie ‚In China, für China und gemeinsam mit China‘ und hebt sie auf ein neues Niveau“, sagte Sean Green, Präsident und CEO der BMW Group Region China, und betonte dabei die Bedeutung der Nutzung komplementärer Stärken und gemeinsamer Innovationen, um bahnbrechende Fortschritte zu erzielen.
„Die Zukunft der Automobilindustrie liegt in China“, sagte Ferdinand Dudenhöfer, renommierter deutscher Automobilexperte. Er forderte eine Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen Akteuren in der gesamten Fahrzeug- und Zulieferkette.
BMW und Porsche böten Leistungsvorteile, während Mercedes-Benz in Sachen Design und Komfort führend sei. Alle drei würden zunehmend auf Chinas Vorsprung in der Batterietechnologie und der Serienproduktion setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so Dudenhöfer.
Angesichts der tiefen Unsicherheit für die Wirtschaft durch das jüngste Zollabkommen zwischen den USA und der EU warnte Michael Schumann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), dass das globale Handelssystem zunehmend unter Druck gerate, während Handel immer häufiger als geopolitisches Instrument eingesetzt werde.
In einer fragmentierten Welt könnte China für internationale Unternehmen einer der Pfeiler für regulatorische Stabilität sein, so Schumann.
(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)