Ein Mann spielt ein Rennspiel mit einem Gehirn-Computer-Schnittstellengerät (BCI) in seiner Wohnung in Shanghai in Ostchina, 30. April 2025. (Foto von Dai Yanmiao/Xinhua)
BERLIN, 13. August (Xinhua) -- In einem ruhigen Krankenhauszimmer starrt ein Mann auf einen Bildschirm. Sein Körper bleibt regungslos, aber der Cursor beginnt sich zu bewegen. Es gibt keine Tastatur, keine Maus, nur ein flackerndes Signal der Gehirnaktivität, das von einem winzigen Implantat aufgefangen wird.
Jahrzehntelang war eine solche Szene Science-Fiction: Maschinen mit den Gedanken zu steuern, Prothesen mit einem Gedanken zu bewegen, Menschen, die sich nicht mehr bewegen können, ihre Bewegungsfähigkeit zurückzugeben. Heute jedoch macht die Technologie der Gehirn-Computer-Schnittstelle (BCI) das Unvorstellbare möglich.
Als „Brücke“ zwischen Geist und Maschine verändert die BCI-Technologie nicht nur die Art und Weise, wie Menschen mit Geräten interagieren, sondern eröffnet auch neue Horizonte in der Neurowissenschaft und der Behandlung neurologischer Erkrankungen.
In Deutschland hat das Neurotech-Unternehmen CorTec ein 32-Kanal-Elektrodenpad entwickelt, das unter die Schädeldecke implantiert werden kann. Das Gerät liest Gehirnsignale, um die Absichten des Benutzers zu interpretieren, und sendet gleichzeitig sanfte elektrische Impulse an das Gehirn, um die Genesung und Rehabilitation zu unterstützen. Kürzlich erhielt ein 52-jähriger amerikanischer Schlaganfallpatient das Gerät. Dies ist ein neuer Ansatz, um die Gehirnaktivität zu stimulieren und die Rehabilitation durch gedankengesteuerte elektrische Signale zu verbessern.
Schlaganfälle verursachen körperliche Behinderungen, indem sie Gehirnregionen und Verbindungen schädigen, die für bestimmte Bewegungen zuständig sind. In vielen Fällen geht die Funktionsfähigkeit der betroffenen Körperteile verloren. Forscher sagen jedoch, dass, wenn genügend Gehirnregionen überleben und verbunden bleiben, sie ihre bestehenden Verbindungen stärken und neue bilden könnten, um die Funktion zumindest teilweise wiederherzustellen.
Unterdessen treibt auch China die BCI-Forschung durch klinische Studien und groß angelegte Versuche rasch voran. Wissenschaftler des Start-ups INSIDE aus Shanghai und des Huashan-Krankenhauses der Fudan-Universität implantierten im Juli Epilepsiepatienten Elektroden, wodurch zehn Personen komplexe chinesische Sätze allein durch ihre Gedanken kommunizieren konnten.
Das Huashan-Krankenhaus ist aktiv an klinischen BCI-Studien beteiligt. Im August 2024 implantierten Neurochirurgen des Krankenhauses einer 21-jährigen Epilepsiepatientin ein flexibles 256-Kanal-BCI-Gerät, das von der in Shanghai ansässigen Firma NeuroXess entwickelt wurde. Innerhalb von 48 Stunden nach dem Eingriff konnte die Patientin mithilfe ihrer Gehirnströme erfolgreich die Computerspiele Tischtennis und Snake spielen.
Im Juni dieses Jahres konnte ein Chinese, der vor 13 Jahren bei einem Hochspannungsunfall alle vier Gliedmaßen verloren hatte, nach einem revolutionären Eingriff im Huashan-Krankenhaus, bei dem ihm ein von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften entwickeltes BCI-Gerät implantiert wurde, mit Hilfe seiner Gedanken Schach und Rennspiele spielen.
Trotz dieser Durchbrüche bleibt Vorsicht geboten. „Wir können noch nicht blind optimistisch sein“, sagte Mao Qing der Neurochirurgie am West China Hospital der Sichuan-Universität.
Mao wies darauf hin, dass die BCI-Technologie zu einem strategischen Vorteil geworden sei, um den Länder weltweit konkurrieren würden, um die technologische Vorherrschaft zu erlangen.
Je näher die Technologie dem Kern des menschlichen Gehirns rückt, desto mehr tiefgreifende ethische Fragen tauchen auf. BCI-Chips sind nicht mehr nur implantierbare Geräte, da sie direkt mit der Quelle unserer Gedanken verbunden sind. Wie sieht es mit der Regulierung aus? Wem gehören die gesammelten neuronalen Daten? Und wenn solche Geräte nicht nur Signale lesen, sondern auch in das Gehirn schreiben können, können unsere Gedanken und unser Wille dann noch als wirklich unsere eigenen betrachtet werden?
„Eines der Hauptprobleme ist der Schutz der Privatsphäre“, sagte Anil Seth, Professor für Neurowissenschaften an der Universität Sussex. Er warnte, dass die Übertragung von Gehirnaktivitäten außerhalb des Körpers nicht nur Zugang zu den Handlungen von Menschen gewähren könnte, sondern auch zu ihren Gedanken, Überzeugungen und Gefühlen.
„Sobald man Zugang zu den Inhalten des Kopfes hat, gibt es wirklich keine Barriere mehr für die Privatsphäre“, sagte Seth.
Christoph Bublitz, Rechtsexperte an der Universität Hamburg, warnte, dass die Fortschritte in der BCI-Technologie „zahlreiche philosophische, ethische und rechtliche Fragen“ aufwerfen würden.
Bublitz erklärte gegenüber Xinhua, dass ein BCI-Chip, sobald er dauerhaft implantiert und in den Körper integriert sei, nicht mehr als externes Gerät betrachtet werden sollte, sondern als Teil der Person, „eher wie Arme oder Organe“. Auch die eingebettete Software könnte untrennbar mit dem Nutzer verbunden sein.
Daraus ergeben sich rechtliche Konsequenzen. Da Dritte keine Körperteile besitzen können - „niemand kann deinen Arm besitzen“ -, würden die Hersteller nach der Implantation sowohl das Eigentum an der Hardware als auch an der Software verlieren. In solchen Fällen sollten laut Bublitz die Urheberrechtsschutzbestimmungen nicht mehr gelten. Derzeit gibt es jedoch noch keine Rechtsprechung dazu.
Bublitz wies auch auf weiterreichende psychologische und gesellschaftliche Bedenken hin. Wenn BCIs beginnen würden, die Emotionen der Nutzer automatisch zu regulieren, welche Auswirkungen hätte das auf ihr Selbstbewusstsein? Würden die Menschen glücklicher, ängstlicher oder einfach nur überreizt sein?
„Auf jeden Fall würde sich die Art und Weise verändern, wie Menschen die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren“, so Bublitz.
(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)