Chinas Gaokao-Reform: Neue Chancen durch flexiblere Bewertung?

BEIJING, 15. April (Xinhuanet) --"Die drei Hauptfächer Mathematik, Chinesisch und Englisch bleiben in der nationalen Aufnahmeprüfung. Außerdem sollen Schüler noch drei Punktzahlen aus Wahlpflichtfächern wie Politik, Geschichte, Geographie, Physik, Chemie oder Biologie auswählen. Daraus entsteht nachher die Gesamtnote der Gaokao. Die Wahlpflichtfächer sollen abhängig sowohl von ihren Interessen bzw. Talenten als auch von den Forderungen der Universitäten sein."

Der Vize-Direktor der an die Beijing Normal University angegliederten Mittelschule, Liang Yuancao, erklärt Änderungen in Chinas Gaokao-System. Das Bildungsministerium hatte im Vorfeld angekündigt, die Ausbildungschancen im Lande gerechter zu machen. 40 Schwerpunkte sind auf der Webseite des Ministeriums gelistet. Mittelschuldirektor Zhou Xingguo aus Anshan in Liaoning sagte, dass in der Zukunft die Universitäten Bewerber nicht nur anhand ihrer Noten beurteilen würden:

"Wir ziehen die umfassende Wertung von Wahlpflichtfächern in Betracht. Gleichzeitig werden auch moralische Standards und körperliche Gesundheit, Kunst sowie soziales Engagement in die Bewertung einfließen. Es ist ein vielseitiges Aufnahmesystem."

Professor Pang Weiguo aus Shanghai freut sich über die Neuerungen:

"Die Studenten werden anhand ihrer umfassenden Leistungen in der Mittelschule oder sogar über einen noch längeren Zeitraum bewertet. Zum Beispiel haben manche starke Kommunikationsfähigkeiten oder sind gut im öffentlichen Bereich. Diese Talente sind schwer in Prüfungen darstellbar. Eine umfassende Bewertung ist viel vernünftiger."

Professor Li Ruifeng ist NVK-Vertreter der Taiyuaner Technologieuniversität in der Provinz Shanxi. Die Gaokao sei lange Zeit für ihr Ersticken von Kreativität gescholten worden. Dennoch war das System der Auswahl von guten Schülern für die begrenzten Hochschulplätze für Li gerecht. Der Professor unterstützt aber auch die neuen Herangehensweisen:

"Dadurch ändert sich das System der Festlegung einer Zukunft anhand diverser, in wenigen Tagen aufeinander folgender Tests. Dabei spielt vor allem die Englisch-Prüfung eine Rolle. Nach der Reform können Schüler diese Prüfung zweimal im Jahr ablegen und dann die bessere Note wählen. Das umfassende Bewertungssystem der Wahlpflichtfächer wird sowohl den Universitäten als auch den Studenten bessere Chancen bieten."

David Moser ist der akademische Direktor für Chinas CET-Forschung an der Beijing Normal University. Moser ist Amerikaner und hat den direkten Vergleich zu seiner Heimat.

"Die SAT-Tests sind nur eines von mehreren Kriterien zur Aufnahme an einer Hochschule in den USA. Manche sind der Meinung, dass es ein besseres System ist, da die Beurteilung mehr Aspekte einbezieht, als eine einzige Prüfung. Ich glaube, die Reform der Gaokao ist ein guter Weg für chinesische Schüler."

Die Reform hat eine Diskussion angeregt, wie Gerechtigkeit bei der Gaokao gewährleistet werden kann. Viele sind besorgt, dass durch einen flexibleren Bewertungskatalog Machtmissbrauch entstehen könne. Manche befürchten, dass Schüler aus reichen Familien oder Familien mit besseren Beziehungen sich mehr Zertifizierungen über beispielsweise soziale Praktika beschaffen könnten. David Moser kann diese Sorgen nachvollziehen:

"Ehrlich gesagt existiert diese Ungerechtigkeit auch in den USA und anderen Ländern. Da bildet das Gaokao-System keine Ausnahme. Eltern mit besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen können ihren Kindern bessere Bildungsmöglichkeiten zu Hause und in der Schule bieten. Die Gaokao-Reform kann dieses Problem nicht komplett lösen. Aber ich möchte erwähnen, dass die Abnahme des enormen Leistungsdrucks durch die Gaokao-Prüfung auch zur Abnahme von Täuschungsversuchen führen kann."

Moser glaubt, dass weniger Druck auch weniger Motivation zum Betrug bedeutet. Zurzeit wird die Wertung außerschulischer Leistungen von den Lehrern entschieden. Eltern sehen genau darin das Problem. Mittelschul-Direktor Liang Yuancao ergänzt:

"Ungerechtigkeiten oder gar Korruption könnten kurzfristig bestehen. Aber sie sind vermeidbar. Schulen haben ihre Methoden, Bescheinigungen und Qualität der Ausbildung zu steuern. Darüber hinaus sollten praktische Aktivitäten in Schulen selbst durchgeführt werden. Außerschulische Aktivitäten machen nur einen kleinen Teil aus. Wenn es also falsche Bestandteile gäbe, dann würden diese das Ergebnis nicht beeinflussen."

Liang fragt sich vielmehr, inwiefern unterschiedliche Bewertungskriterien an verschiedenen Schulen behandelt werden sollen. Darauf weiß Mittelschuldirektor Zhou Xingguo aus Anshan Antwort:

"Wir werden ein quantitatives System für die umfassende Bewertung ausarbeiten. Die Kriterien und die Methoden der Bewertung werden den Schülern und Eltern mitgeteilt. Das Wertungsergebnis von jedem Schüler wird auch veröffentlicht. Es wird transparent laufen und keine Chancen für schwarze Konten geben."

China hat das Gaokao-System im Jahr 1977 wieder aufgenommen. Seitdem wird die Prüfung als "schmale Hängebrücke" bezeichnet aufgrund der riesigen Diskrepanz zwischen Bewerbern und freien Plätzen. Kritik an diesem festgefahrenen System, dass die Kreativität und Individualität von Bewerbern untergräbt, wurde immer lauter. Es bleibt abzuwarten, was die Reform letztendlich bewegen kann.

Übersetzt von Yu Yue

Gesprochen von Xi Jing

(Quelle: german.cri.cn)

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