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Demografischer Wandel: China will bei Altenpflege von Österreich lernen

(Foto von german.cri.cn)

BEIJING, 20. November (Xinhuanet) -- Es gibt immer mehr alte Menschen in China. Und sollte die Volksrepublik das selbst gesetzte Ziel einer „Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand" bis 2020 erreichen, dann ist von einer noch stärkeren Alterung der chinesischen Bevölkerung auszugehen. Der demografische Wandel ist aber natürlich kein rein chinesisches Phänomen, auch andere Nationen müssen sich ähnlichen Herausforderungen stellen. Vor allem in Europa wird dem Problem der alternden Gesellschaft bereits seit längerem große Aufmerksamkeit geschenkt. Für China können daher einige der europäischen Staaten bei der Altersvorsorge als Vorbilder dienen – allen voran Österreich.

Vor kurzem wurde das „Internationale Forum zur Kooperation und Entwicklung von Dienstleistungen für Senioren 2015" in Beijing veranstaltet. Dabei haben Vertreter aus Österreich ihre Erfahrungen mit den anderen Forumsteilnehmern geteilt. Andrea Sallegger, Pflegewissenschaftlerin bei den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz (GGZ), stellt die größte Stärke ihrer Einrichtung vor:

„Ein Erfolgskriterium ist eine abgestufte Versorgung. Das heißt, dass jeder Patient nur das bekommt, was er wirklich braucht und nicht mehr und nicht weniger. Und wir in den Geriatrischen Gesundheitszentren haben ein abgestuftes Versorgungskontinuum vom betreuten Wohnen, wo die Personen noch so gut wie unabhängig sind, bis zum Hospiz, wo sie auch versterben können. Das heißt, der Patient kommt zu uns, wir machen ein geriatrisches Assessment und stellen dann fest, was er braucht. Und das fügen wir dann zusammen und weisen dem Patienten in unserem Versorgungssegment zu."

Die Eingangsanalyse und die abgestufte Versorgung stellen sicher, dass sich im zweiten Schritt absolute Spezialisten um den jeweiligen Patienten kümmern. So erhält dieser die effektivste Behandlung, erklärt Andrea Sallegger weiter:

„Das zweite ist sicher das spezialisierte Know-how, also, ob ich jetzt in einem Hospiz bin als Patient oder in einer Remobilisationsstation. Das ist abhängig, dass die Betreuungspersonen, also die Krankenschwestern wirklich das Wissen auch haben. Im Hospiz ist zum Beispiel Palliative Care wichtig, auf der Akutgeriatrie ist Remobilisationswissen wichtig, also zum Beispiel Physiotherapie, dass man wieder gehen kann, dass man einfach seine Selbstpflegefähigkeiten trainiert, sodass man dann so lange wie möglich wieder zu Hause leben kann."

Die drastische Alterung der österreichischen Gesellschaft stelle eine riesige Herausforderung dar, betont die Alterspflegespezialistin. Nach offiziellen Angaben dürfte der Anteil der über 60-Jährigen in der österreichischen Bevölkerung bis 2050 auf 35 Prozent steigen. Damit einhergehend wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen rapide zunehmen. Derzeit leben in Österreich 600.000 Senioren, die betreuungsbedürftig sind. In den nächsten 15 Jahren sollen ungefähr 200.000 dazukommen. Angesichts dieser Entwicklungstendenz hat Österreich die Bereiche Pflege und Seniorenbetreuung schon seit längerem gefördert.

Chen Wanjie, der Vorsitzende der europäisch-chinesischen Handelskammer in Österreich, lebt und arbeitet seit fast 30 Jahren in dem Nachbarland Deutschlands. Seitdem er sich vor etwa fünf Jahren mit der Altersvorsorge in Graz beschäftigte, wollte er die dortigen, seiner Meinung nach vorbildlichen Modelle, auch in China bekannt machen. Nach einjährigen Verhandlungen wurde jetzt eine Basis für einschlägige Kooperationsprojekte zwischen China und Österreich geschaffen. Das ist auch der Grund, warum Chen Wanjie zusammen mit GGZ-Mitarbeitern das Forum in Beijing besuchte. Diese Plattform ermögliche ihm nicht nur einen direkten Austausch mit Branchenkennern aus dem In- und Ausland, sondern eröffne vor allem auch Kooperationschancen mit chinesischen Dienstleistern.

Chen Wanjie erklärt weiter, als Wohlfahrtsstaat habe Österreich stets großen Wert auf die Altersvorsorge gelegt. Sowohl die verschiedenen Regierungen als auch Privatunternehmen, Sozialinstitutionen und Hochschulen hätten sich in diesem Bereich kontinuierlich engagiert, und zwar über Jahrzehnte hinweg. Das österreichische System in diesem Bereich sei sehr klar und zielgerichtet:

„Die Seniorenpflegedienste in Graz arbeiten immer eng mit Krankenhäusern und Hochschulen zusammen. Auf dieser Weise entsteht ein sogenannter One-Stop-Service, also ein komplettes System von grundlegender Nahrungsversorgung sowie Betreuung bis zur Palliativ- sowie Hospizpflege. Dieses klar abgestufte System ist auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten und kann daher jedem individuelle Dienstleistungen sowie bedarfsgerechte Betreuung anbieten. Die lokale Regierung hat uns auch immer stark unterstützt."

China könne von Österreichs Erfolgen lernen und gleichzeitig mit österreichischen Partnern zusammenarbeiten, ist Chen Wanjie überzeugt. Vor allem zwei Bereiche schweben ihm vor: erstens die Architekturentwürfe von Pflegeeinrichtungen, in Österreich meist Passivhäuser, die Energieeffizienz mit höchstem Wohnkomfort verbinden. Und zweitens das österreichische Modell der stationären, gemeindenahen oder häuslichen Seniorenbetreuung.

Allerdings müssten beide Seiten noch intensive Verhandlungen führen, bevor konkrete Kooperationen in Gang gesetzt werden könnten, da sich die nationalen Gegebenheiten in China und Österreich stark unterscheiden, so Chen Wanjie:

„Die kulturellen Unterschiede beider Länder und in unserem Fall im Sozialversicherungssystem darf man nicht außer Acht lassen. Eigentlich ist Chinas heutiges Sozialsystem dem österreichischen schon sehr ähnlich. Zumindest bemüht sich die chinesische Regierung bereits seit langem darum. Wegen der riesigen Bevölkerungszahl und der bislang unzureichenden Investitionen in die Infrastruktur ist es zwar nicht leicht, auf Anhieb ein so vollkommenes System wie in Österreich umzusetzen. Aber wir können durchaus zuerst einige Pilotprojekte starten und das österreichische Modell in kleinerem Umfang testen."

Genau daran arbeiten Chen Wanjie und sein Team momentan. Sie suchen nach Möglichkeiten, wie man das erfolgreiche österreichische System mit Chinas nationalen Gegebenheiten zusammenbringen kann. Durch die chinesisch-österreichische Zusammenarbeit im Bereich der Pflegedienstleistungen und der Seniorenbetreuung könnte die Volksrepublik in Zukunft besser gerüstet sein für die fortschreitende Alterung der chinesischen Gesellschaft.

(Quelle: german.cri.cn)

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