Interview: Ökonom, der den Begriff BRICS prägte, sagt, Leistung der Gruppe übersteigt Erwartungen
von Peter Barker, Gui Taop
LONDON, 14. August (Xinhuanet) -- Die Wirtschaftsleistung der fünf führenden Schwellenländer der BRICS-Gruppe übersteigt die Erwartungen des Mannes, der sich als erster das Akronym ausdachte, sagte der Erfinder des Begriffs in einem kürzlichen Interview mit Xinhua.
Der ehemalige Chefökonom von Goldman Sachs Jim O'Neill prägte das Akronym BRIC im Jahr 2001, um die Nationen Brasilien, Russland, Indien und China zu erfassen (Südafrika schloss sich später an und machte den Ausdruck zu BRICS), als Wirtschaften, die im 21. Jahrhundert erblühen und die Führungsrolle im globalen Geschäft übernehmen würden.
„Sechzehn Jahre später ist der Anteil der BRICS am globalen BIP (Bruttoinlandsprodukt) größer als in jedem Szenario, dass ich entworfen habe“, sagte O'Neill.
Seine Kommentare kamen nur Wochen vor dem neunten BRICS-Gipfeltreffen, das Anfang nächsten Monats in der chinesischen Stadt Xiamen abgehalten wird.
O'Neill prognostizierte in seiner Abhandlung „Building Better Global Economic BRICS“ im Jahr 2001, dass die BRICS-Nationen bis heute einen kombinierten wirtschaftlichen Wert von etwa 11,6 Billionen US-Dollar haben würden. Der tatsächliche Wert liegt in diesem Jahr bei etwa 16,6 Billionen Dollar.
Das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts war ein Zeitraum, in dem die Gruppe das von O'Neill im Jahr 2001 prognostizierte Potenzial erreichte und mehr als übertraf, und was die Welt hat aufsitzen lassen und dem sie Beachtung schenkte.
Die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der BRICS-Nationen von 2001 bis 2011 lagen laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei: Brasilien 3,8 Prozent, Russland 4,8 Prozent, Indien 7,8 Prozent, China etwa 10,7 Prozent und Südafrika 3,7 Prozent.
Das zweite Jahrzehnt wies einen weniger kometenhaften Fortschritt für die Nationen auf, während sich die Welt von der Finanzkrise erholt und Nationen wie China in eine andere Entwicklungsphase eintreten.
Die Nationen haben zusammengearbeitet und treffen sich nun regelmäßig als eine Gruppe. Sie haben eine Entwicklungsbank namens Neue Entwicklungsbank gegründet, die in Shanghai ansässig ist.
O'Neill wies auch auf eine neue Entwicklung im bilateralen Handel zwischen China und Deutschland hin, einer der führenden Volkswirtschaften in Europa.
Im Jahr 2016 wurde China Deutschlands größter Handelspartner mit einem Handelsvolumen, das zwischen den beiden Ländern 150 Milliarden Dollar übersteigt.
„Es ist gut. Viele dieser Kräfte ereignen sich derzeit. Hier ist eine wichtige Statistik zum globalen Handel – China wurde Deutschlands größter Handelspartner. Eine enorme Symbolik für die BRICS-Länder“, sagte O'Neill, der der Ansicht ist, dass der Erfolg der BRICS langfristig sein werde.
LANGFRISTIGER ERFOLG
O'Neill weist jene zurück, die gesagt haben, dass die BRICS ihren Glanz verlieren.
Sich nur auf eine Verlangsamung des kombinierten Wachstums ihrer Wirtschaften zu konzentrieren, verfehle das Thema, sagte O'Neill.
Chinas Wirtschaft setzte in der ersten Hälfte dieses Jahres ihr stetiges Wachstum fort, mit einem Anstieg des BIP um 6,9 Prozent auf etwa 38,2 Billionen Yuan (5,6 Billionen Dollar) im Vergleich zum Vorjahr, laut dem Nationalen Statistikbüro.
Russland und Brasilien erlitten in den letzten Jahren Rezessionen, doch Brasiliens Wirtschaft wuchs im ersten Quartal dieses Jahres wieder, nach einer langanhaltenden Rezession, und Russland erzielte im zweiten Quartal eine Wachstumsrate von 2,5 Prozent im Jahresvergleich.
„Die Tatsache, dass sie langsamer geworden sind, ist irrelevant, wenn sie noch immer viel größer sind, als ich vor 16 Jahren erwartet habe – hauptsächlich wegen China aber auch wegen Indien und ungeachtet der Probleme, die Brasilien und Russland gehabt haben.“
„Also diese Leute, die sagen, es ist nicht so wichtig, weil sie weniger gewachsen sind, das ist lächerlich“, sagte er.
Zusätzlich hat O'Neill auch andere Länder im Blick, die die Welt in den kommenden Jahrzehnten überraschen könnten.
„Ich würde sagen in den nächsten 50 Jahren gibt es wahrscheinlich vier Länder mit dem Potenzial, so groß wie Russland oder Brasilien zu sein“, sagte O'Neill.
„Definitiv Indonesien, vielleicht Mexiko, vielleicht die Türkei und aufregenderweise vielleicht Nigeria. Aber lasst uns abwarten – nur weil sie das Potenzial haben, heißt das nicht, dass es passieren wird.“
„Die BRICS-Länder haben bereits gesagt, dass sie für andere Mitglieder offen sind. Doch ich würde das keineswegs bald machen, bevor wir klare Beweise dafür sehen, dass einer dieser vier viel größer werden wird“, sagte er.
SÜDAFRIKA NOTWENDIGES MITGLIED DER BRICS
Es ist eine ungleiche Gruppe gemessen am Wirtschaftsvolumen, bei dem China wegweisend ist und Südafrika wirtschaftlich am kleinsten ist.
O'Neill hatte schon immer Bedenken über Südafrika in der Gruppe, aber denkt, es sollte darin sein, obwohl seine Wirtschaft mit etwa 300 Milliarden Dollar im Jahr am kleinsten ist.
„China erschafft (wirtschaftlich) alle sechs Monate ein neues Südafrika, wie kann da Südafrika wirtschaftlich in der selben Klasse sein?“, fragte der Ökonom.
„Politisch ist es sehr wichtig, dass Südafrika Teil der BRICS ist“, sagte O'Neill, der bis Ende 2016 ein Minister in der britischen Regierung war.
Er war zuständig für die Erstellung einer Antwort auf die Gefahr von antimikrobieller Resistenz (AMR), ein Anliegen, das er letztes Jahr auf den G20-Gipfel in das chinesische Hangzhou mitnahm.
Dort sah er die Vorteile von Südafrika.
„Ich habe wegen meiner Rolle im Gesundheitswesen gesehen, wie Südafrika die Führung übernimmt. Der G20-Gipfel in Hangzhou im vergangenen Jahr umfasste eine Stellungnahme zu AMR – das wäre nicht passiert, wenn Südafrika nicht dessen Inklusion unterstützt hätte“, sagte O'Neill.
(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)