Geschichte eines chinesischen Marschalls in Deutschland: Auf den Spuren von Zhu De in Göttingen

German.xinhuanet.com| 02-06-2021 16:32:20| german.china.org.cn
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An der ehemaligen Residenz von Zhu De ist eine Gedenktafel an der Wand angebracht. (Foto von Shan Yuqi/ Xinhua)

Im Mai gehen die Kirschblüten in Göttingen prächtig auf. Die Allee auf dem Campus der Georg-August-Universität mit ihren blühenden Zierkirschbäumen gibt zu dieser Jahreszeit eine beliebte Kulisse für Fotos ab.

Vor 98 Jahren begann der damals 36-jährige Zhu De, der aus dem von Krieg und Armut geprägten China nach Deutschland gekommen war, an dieser renommierten Hochschule in Mitteldeutschland mit seinem Soziologiestudium. Er wollte einen Weg zur Rettung seiner Nation und Landsleute finden.

Der junge Offizier lebte zu jener Zeit schon seit einem Jahr in Deutschland und trat in Karl Marx' Heimatstadt Trier der Kommunistischen Partei Chinas bei. Durch die jahrzehntelangen Anstrengungen während der Revolutionszeit Chinas wurde er einer der Gründungsväter der Volksrepublik. 1949, als die Gründungszeremonie feierlich begangen wurde, durfte Zhu die Rangliste der zehn Marschälle des Landes anführen.

Anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas besuchten Xinhua-Korrespondenten die Universitätsstadt und recherchierten in den Archiven, um die Geschichte des chinesischen Marschalls in Deutschland zu erkunden.

In der Bibliothek der Universität Göttingen wird das Studentenregister mit Zhus Namen bis heute gut aufbewahrt. Die deutsche Schrift auf dem vergilbten Papier aus dem Jahr 1923, die Zhu selbst eintrug, ist heute noch lesbar. Demnach soll der Student namens Zhu De in der Planckstraße 3 gewohnt und aus der chinesischen Provinz Sichuan gestammt haben.

Die Universitätsbibliothek. (Foto von Shan Yuqi/ Xinhua)

Im Göttinger Stadtarchiv konnte der Historiker Rolf Kohlstedt weitere Dokumente des chinesischen Studenten finden: eine Registerkarte mit einem blauen Stempel des polizeilichen Einwohnermeldeamtes Göttingen. Unten links klebt ein Lichtbild eines jungen Chinesen in Anzug und mit strahlenden Augen.

Anders als die normalen ausländischen Studenten hatte Zhu vor seinem Auslandsstudium Vieles hinter sich gelassen: Er war 1886 geboren, also in der Regierungszeit vom Kaiser Guangxu der Qing-Dynastie. Im Alter von 24 absolvierte Zhu die Militärakademie von Yunnan in Kunming. In den späteren Jahren engagierte er sich in der Xinhai-Revolution (1911-1912), der Kampagne zum Schutz der Republik (1915-1916) und der Bewegung zum Verfassungsschutz.

Laut Kohlstedt kamen in den 1920er Jahren zahlreiche chinesische Studenten nach Göttingen. Damals war Zhu Mitte 30 und hatte schon viele Jahre in der Armee gedient. Doch konnte er während seines Aufenthalts in Deutschland seinen Horizont erweitern und viel von der westlichen Industrie erfahren.

Auf der Anmeldekarte von Zhu sind zwei Adressen registriert. Einmal die Weender Landstraße 88 in den ersten fünf Monaten und später die Planckstraße 3.

Was bemerkenswert ist: auf dem letzten Aufenthaltsort steht: Wilmersdorf, Berlin. Dort befand sich genau der Wohnsitz von Zhou Enlai, dem späteren Ministerpräsidenten der Volksrepublik.

1922 traf Zhu in Berlin mit Zhou zusammen, der damals als Leiter des chinesischen Studentenvereins in Europa, eine frühe Zweigorganisation der Kommunistischen Partei Chinas im Ausland, fungierte. Mit Hilfe von Zhou trat Zhu im November desselben Jahres der Kommunistischen Partei bei.

Heute kann man in der Planckstraße 3 im Osten Göttingens noch immer das zweistöckige Haus aus rotem Backstein mit Dachgeschoss sehen, in dem Zhu wohnte. An der Wand ist eine Gedenktafel angebracht, die auf Deutsch schrieb: „Zhu De, Marschall der Volksrepublik China, 1923-1924“. Dies wurde im Jahr 1986, anlässlich seines 100. Geburtstages, bei einer feierlichen Zeremonie vom ehemaligen Oberbürgermeister Göttingens enthüllt.

Der Campus der Universität Göttingen (Foto von Shan Yuqi/ Xinhua)

Die alte Residenz war zu jener Zeit das Zentrum von Zhus Leben in Deutschland und diente gleichzeitig als sein „Büro für die Revolution“. Er soll sich den Dokumenten zufolge in seiner Freizeit für viele soziale Aktivitäten eingesetzt haben.

Aus dem Stadtarchiv haben die Xinhua-Reporter beispielsweise die Unterlagen des Antrags des damaligen Chinesischen Studentenvereins in Göttingen bei der Polizei für eine Demonstration herausgefunden, darunter die Flugblätter, die von der lokalen Polizei nach der Überprüfung in die Akte gelegt wurden. Dabei handelte es sich um einen mit blauem Deckblatt ummantelten Flyer mit dem Titel „Was geht in China vor?“ Dieser stellt die Bewegung des 30. Mai vor, unter anderem ihren historischen Hintergrund sowie die miserablen Lebensbedingungen der damaligen chinesischen Arbeiterklasse, um das chinesische Volk zum antiimperialistischen und antikolonialen Kampf aufzurufen.

Während seines Aufenthalts in Deutschland wurde Zhu zweimal wegen der Teilnahme an den Aktivitäten verhaftet, die sich mit dem Streik in Shanghai nach der Bewegung des 30. Mai solidarisch erklärt hatte. 1925 sah er sich angesichts der veränderten Lage gezwungen, Deutschland zu verlassen, um sich in der ehemaligen Sowjetunion militärisch ausbilden zu lassen. 1926 kehrte Zhu nach China zurück.

Auf der Webseite vom Verein der chinesischen Studenten und Wissenschaftler in Göttingen steht heute immer noch die Darstellung über Zhus Studienaufenthalt in Göttingen, in der es heißt: „Er war der zweite Vorsitzende der Vereinigung. Er stellte China den Göttinger Stadtbürgern vor und engagierte sich dafür, dass die Deutschen die chinesische Revolution verstanden und unterstützten.“ Diese Geschichte erzähle auch jeder chinesische Student bei der Vorstellung der Hochschule. Wang Jiawen, die amtierende Präsidentin des Vereins erzählte den Reporten, dass die Geschichte des Revolutionärs bis heute die chinesischen Studenten im Ausland zum Patriotismus inspiriere.

Das alte Rathaus (Foto von Shan Yuqi/ Xinhua)

Viele chinesische Touristen, die Göttingen besuchen, werden auch die ehemalige Residenz von Zhu De besichtigen. Diese ist beinahe eine Attraktion des „Roten Tourismus“ in Deutschland geworden.

Dagmar Yu-Dembski,Sinologin und ehrenamtliche Direktorin des Konfuzius-Instituts an der Freien Universität Berlin, sagte vor Reportern, dass sie viele chinesische Gelehrte durch die alten Residenzen der Revolutionäre Chinas in Deutschland geführt habe. In den Kursen des Konfuzius-Instituts sind ihre Geschichten in Deutschland bzw. in Europa heute auch Thema. Diese seien wertvolle historische Fragmente der chinesischen Revolution, so die Expertin, die sich durch viele wissenschaftliche Forschungen mit den Geschichten der Revolutionäre der KPCh in Deutschland beschäftigt.

Des Weiteren, fuhr die Sinologin fort, hätten sich in Deutschland während der Weimarer Republik verschiedene politische Strömungen herausgebildet. Zhu hat während des Studiums viel von den Kampf- und Kommunikationstaktiken der dortigen politischer Organisationen gelernt und darüber hinaus Kenntnisse über die deutsche Armee erworben, was für seine spätere Karriere als Revolutionär auch von Bedeutung gewesen sei.

Volker Tschapke, Gründungs- und Ehrenpräsident der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. meint, in den 1920er Jahren, als Zhu in Deutschland studierte, sei China ein armes und schwaches Land gewesen und habe auf der Weltbühne keine Achtung gefunden. Es seien die Revolutionäre wie Zhu gewesen, die sich von Generation zu Generation durch Dornen und Gestrüpp gekämpft hätten, die China zum reichen und starken Land von heute aufgebaut hätten. „Sie bringen das Land stets voran“, sagte er.

Der Artikel wurde erstmals in der chinesischen Version auf der Webseite von Xinhuanews veröffentlicht. Die Reporter sind Zhang Yuan, Ren Ke, Zhang Yirong, Shan Yuqi und Lian Zhen.

(Quelle: german.china.org.cn)

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