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Interview: Neue Entwicklungschance für chinesisch-deutsche Beziehungen – Ein Gespräch mit Shi Mingde, chinesischem Botschafter in Deutschland

BEIJING, 27. Oktober (Xinhua) -- „Die chinesisch-deutschen Beziehungen stehen vor einer neuen Entwicklungschance. Sie haben das Potential, sich auf hohem Niveau stabil weiterzuentwickeln und weiterhin eine führende Rolle in den chinesisch-europäischen Beziehungen einzunehmen“, sagte Shi Mingde, chinesischer Botschafter in Deutschland am Vorabend von Angela Merkels Chinabesuch im Xinhua-Interview.

Shi Mingde sagte, die Entwicklung des Beziehungen zu China sei Konsens in Deutschlands wesentlichen politischen Kräften und die bilateralen Beziehungen stünden auf einer stabilen Grundlage. Schon frühere deutsche Kanzler wie Kohl und Schröder hätten seinerzeit mehrmals China besucht. Merkel sei nach zehn Jahren an der Regierung nicht nur öfter in China gewesen als sämtliche Amtsvorgänger, sondern sei gleichzeitig auch diejenige europäische Regierungs-Chefin, die China am regelmäßigsten besuche. 

Shi Mingde sagte, die chinesische Führung messe der Weiterentwicklung der Beziehungen zu Deutschland ebenfalls eine hohe Bedeutung bei. Präsident Xi Jinping habe im März vergangenen Jahres Deutschland besucht, und die chinesisch-deutschen Beziehungen auf die neue Ebene einer umfassenden strategischen Partnerschaft angehoben. Premier Li Keqiang habe Deutschland bereits zwei Mal besucht. Das gegenseitige Vertrauen sowie die regelmäßigen beiderseitigen Besuche seien wichtig für die Förderung einer umfassenden Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen.

Er erklärte, dass die chinesisch-deutschen Beziehungen in den letzten Jahren eine umfassende und rasante Entwicklung durchlaufen und zahlreiche Ergebnisse pragmatischer Zusammenarbeit hervorgebracht hätten. China sei Deutschlands größter außereuropäischer Handelspartner und Deutschland Chinas größter Handelspartner und wichtigstes Ursprungsland für Technologie-Importe und Investitionen in Europa. Im Jahr 2014 machte das chinesisch-deutsche Handelsvolumen mit 177,8 Milliarden US-Dollar 30% des chinesisch-europäischen Handels aus, also in etwa so viel wie Chinas Handelsaufkommen mit Großbritannien, Frankreich und Italien zusammen. 

Shi Mingde betonte, dass die chinesisch-deutschen Beziehungen gegenwärtig einer neuen Entwicklungschance entgegensähen. Sie hätten das Potential, sich auf hohem Niveau stabil weiterzuentwickeln und weiterhin eine führende Rolle in den chinesisch-europäischen Beziehungen einzunehmen. Erstens hätten beide Länder letztes Jahr den „Aktionsrahmen für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit: Innovation gemeinsam gestalten!“ veröffentlicht und umfassende Innovation zu einem Leitmotiv künftiger deutsch-chinesischer Kooperation erhoben. Es sei das erste Mal, dass China eine weitreichende Innovationspartnerschaft mit einem großen westlichen Staat eingegangen sei. Zweitens verfüge die Zusammenarbeit in der High-End-Fertigungsindustrie über weitreichende Zukunftsperspektiven. Es bestünden ferner sehr viele Schnittpunkte zwischen Deutschlands „Industrie 4.0“ und „Made in China 2025“, so dass Kooperation einen beiderseitigen Nutzen ermöglichen werde. Drittens nannte er ein gemeinsames Voranbringen der Initiative „der Gürtel, die Straße“. China und Deutschland lägen an den beiden Endpunkten der neuen Seidenstraße und seien zudem die zwei größten Volkswirtschaften entlang dieser Route. Gleichzeitig habe Deutschland bereits seinen Beitritt zur Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank angekündigt.

China wird nächstes Jahr turnusgemäß den G20-Vorsitz übernehmen und Deutschland kommt 2017 an die Reihe. Diesbezüglich sagte Shi Mingde, China und Deutschland seien zwei Staaten, die über bedeutende internationale Einflusskraft verfügten. Als G20-Mitglieder hätten beide Länder bezüglich der globalen Wirtschaftsordnung sowie einer Reihe bedeutender internationaler Wirtschafts- und Finanzfragen übereinstimmende oder ähnliche Standpunkte und pflegten eine enge Kooperation und gegenseitige Abstimmung. China und Deutschland würden künftig im Rahmen der G20 die gegenseitige Abstimmung ihrer makroökonomischen Politiken weiter verstärken und sich gemeinsam für die Etablierung und Bewahrung einer offenen Weltwirtschaft sowie die Schaffung einer fairen und gerechten globalen Wirtschaftsordnung einsetzen. Gleichzeitig würden beide Seiten in Zukunft ihre enge Zusammenarbeit in internationalen Angelegenheiten beibehalten und sich aktiv bemühen, dringende Probleme politisch und diplomatisch zu lösen.

Bezüglich der Herausforderungen, die auf die chinesisch-deutschen Beziehungen  zukommen, hob Shi Mingde drei zentrale Aspekte hervor.

Erstens müsse man das gegenseitige Verständnis der Bevölkerungen beider Länder für einander von Grund auf stärken, um zu einer korrekten und objektiven Betrachtung des Gegenübers zu gelangen. Gerade die deutsche Gesellschaft müsse ihr Verständnis der nationalen Lage sowie der Entwicklung Chinas erhöhen. Gemäß den Worten von Altkanzler Schmidt riet Shi Mingde dazu, Chinas Entwicklung und Aufstieg als Chance und nicht etwa als Herausforderung zu begreifen.

Zweitens müssten beide Länder korrekt mit Differenzen umgehen. Es sei normal, dass vor dem Hintergrund von Unterschieden in historischen und kulturellen Traditionen, Gesellschaftssystemen und Entwicklungsstufen in einigen Fragen voneinander abweichende Meinungen bestünden. Entscheidend sei daher, auf Grundlage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts Dialog und Austausch zu intensivieren, Gemeinsamkeiten zu suchen und dabei doch Unterschiede anzuerkennen und die Kernanliegen des Anderen zu respektieren.  

Drittens müssten ununterbrochen aktiv neue Wachstumspunkte in den chinesisch-deutschen Beziehungen gesucht werden. Beide Seiten sollten langfristig denken, unablässig bestehendes Potential ausschöpfen, Kooperation ausweiten und vertiefen und die bilateralen Beziehungen auf ein neues Niveau anheben.

Vom 19. Bis zum 23. dieses Monats war Präsident Xi Jinping gerade auf Staatsbesuch in Großbritannien. Kurz darauf folgen nun Chinabesuche von Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande. Diesbezüglich weist Shi Mingde darauf hin, dass Chinas Beziehungen mit Deutschland, Frankreich oder Großbritannien schließlich ein wichtiger Bestandteil der chinesisch-europäischen Beziehungen seien. Die gleichzeitige und aufeinander abgestimmte Weiterentwicklung von Chinas Beziehungen zu diesen drei Staaten brächte zwangsläufig neue Vitalität und neue Impulse für die Beziehungen zwischen China und Europa.

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