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Fußball in China - Geschichte eines schlafenden Riesen

German.xinhuanet.com | 25-04-2016 14:09:36 | Xinhuanet

Von Dimitrios Marmaras

BEIJING, 25. April (Xinhuanet) -- Als Fußballfan ist es derzeit äußerst spannend die scheinbar unermessliche Kaufwut der chinesischen Fußballvereine mitzuverfolgen. Während ich auf direkte Fragen, ob meine  chinesischen Kollegen Fußball mögen oder nicht, meistens ein „Absolut kein Interesse“ als Antwort bekomme, sprechen volle Stadien und teure Transfers jedoch ein anderes Bild. Obwohl der Sport um das runde Leder immer noch nicht den gleichen Stellenwert genießt, wie zum Beispiel Basketball oder Tischtennis ist es definitiv auf dem aufsteigenden Ast. Aus diesem Grund möchte ich im Rahmen dieses Artikels einen genaueren Blick auf die Fußballbewegung in China werfen. Angefangen mit den fast vergessenen Ursprüngen, bis hin zu der wilden Gegenwart und der spannenden Zukunft. 

Fußball – Eine chinesische Erfindung? 

(Bildliche Darstellung des Fußballsports im alten China

Foto: http://multipletext.com/2011/images/8-14-ancient-Chinese-soccer-2.jpg)

Obwohl England oft als Heimland des Fußballs bezeichnet wird, stammen die ersten Aufzeichnungen des Sports aus der chinesischen Provinz Shandong, wo der Ballsport vor zirka 2500 Jahren erfunden wurde. Weitreichende Popularität unter der Bevölkerung und der Elite fand der Sport dann in der Han-Dynastie. In der Tang-Dynastie (618-907) war Fußball sogar derart populär, dass ganze Turniere abgehalten wurden, und zwar mit Zehntausenden Menschen, die den Kickern zugejubelt haben. Der Sport fand sich sogar thematisch in dem Volksbuch „Die Räuber vom Liang-Schan-Moor“ wieder, welches zu den vier berühmten klassischen chinesischen Romanen gehört. Dort geht es unter anderem darum, wie ein Fußballer die Gunst des Kaisers der Nördlichen Song gewonnen hat, welcher gleichzeitig auch der größte Fußball-Fan des Landes war. Wie man also sehen kann, war das runde Leder schon immer ein fester Bestandteil der chinesischen Kultur. Aber Fußball war mehr als nur Zeitvertrieb. Laut historischer Quellen organisierte man in der Zeit der Südlichen Song (1127-1279) sogar eine offizielle Fußballvereinigung, die Turniere und Ligen organisierte. Über arabische Seefahrer, die China besuchten, kam der Sport schließlich nach Europa. Und obwohl der Sport im Laufe der Jahrhunderte definitiv an Momentum verloren hat, war das Runde, was ins Eckige muss, niemals obsolet in China. So kam es im Jahr 1924 zur Gründung des chinesischen Fußballverbandes. Und auf weltweiter Ebene war sicherlich die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea das größte sportliche Highlight des Verbandes. Und während die Männer nach wie vor auf ihre zweite Teilnahme bei einer Weltmeisterschaft warten, hat die Frauen-Nationalmannschaft bereits einige mehr als respektable Erfolge erzielt. Dazu gehört eine WM-Finalteilnahme im Jahr 1999 und vier Teilnahmen an olympischen Spielen. Das nächste große Ziel der Männer-Mannschaft liegt in der Teilnahme zur WM in Russland, welche im Jahr 2018 stattfinden wird. Die ersten erfolgreichen Qualifikationsrunden haben jedoch bislang einen durchweg guten Eindruck hinterlassen. Vielleicht klappt es ja dieses Mal!

Die chinesische Superliga 

(Jubelnde Fans von Guangzhou Evergrande

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Was in Deutschland die Bundesliga ist, ist in China die Super League. Dabei handelt es sich um die offizielle chinesische Fußballliga, die zum ersten Mal im Jahr 2004 ausgetragen wurde. Zwar gab es vorher auch schon einen Liga-Wettbewerb, und zwar die Jia A League, aber aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen, um sowohl professionelles Management als auch eine bessere Verwaltung und finanzielle Rechtschaffenheit zu gewährleisten, gründete man 2004 die China Super League. Und nach einigen Jahren der Etablierung fand die Liga in den 2000ern wieder einen klaren und souveränen Weg. Was den Modus angeht, gibt es wie in Deutschland eine Hin- und Rückrunde. Und während der Spielbetrieb in Deutschland meist von August bis Mai läuft, spielt man in China innerhalb des Kalenderjahres, und zwar von Februar bzw. März bis November bzw. Dezember. Seitdem die Liga ihren Betrieb aufgenommen hat, hat sich vor allem eine Mannschaft als dominierende Kraft etabliert. Dabei ist natürlich von Guangzhou Evergrande die Rede, die den Titel bereits 5 Mal gewinnen konnten. Asiatischen Ruhm erlangte die Mannschaft außerdem durch die zwei AFC Champions League Titel in den Jahren 2013 und 2015.

Außergewöhnliche Transfers aus China überraschen die Welt  

(Jackson Martinez im Trikot von Guangzhou Evergrande. Er kam im Winter 2016 für eine Ablöse von 45 Millionen Euro aus Spanien.

Foto: https://pbs.twimg.com/media/CaQBRLwUYAMXxk-.jpg)

Als Fan des europäischen Fußballs war es in der Winterpause der Saison 2015/2016 mehr als spannend die regen Transferaktivitäten der chinesischen Fußballvereine mitzuverfolgen. Dies lag zum größten Teil an den ungeheuren Summen mit denen chinesische Clubbetreiber Stars aus den europäischen Ligen nach China geholt haben. Beispiel gefällig? Der brasilianische Mittelfeldspieler Alex Teixeira, an dem auch andere große Vereine aus Europa interessiert waren, wechselte für eine Rekordsumme von 50 Millionen Euro zu Jiangsu Suning. Und auch Ramires, ein ehemaliger Star des britischen Clubs FC Chelsea und Sieger der UEFA Champions League 2012, wechselte für 28 Millionen nach Jiangsu. Aber auch die anderen chinesischen Vereine ließen sich nicht lumpen. Ein Highlight der Transferperiode war sicherlich der Wechsel von Jackson Martinez von Atlético Madrid zu Guangzhou Evergrande für sage und schreibe 42 Millionen Euro. Im Vergleich dazu waren die Transfers von Gervinho (18 Millionen), Demba Ba (13 Millionen) und Renato Augusto (8 Millionen) fast schon Peanuts. Obwohl man festhalten sollte, dass Wechsel von Spielern aus Europa nach China schon längst keine Besonderheit mehr sind, fanden die Transfers aber früher meist erst in den letzten Stationen einer Spielerkarriere statt. In den letzten Jahren zeigt sich jedoch eine vermehrte Ankunft von Fußballern, die sich nach wie vor im besten Alter befinden, und wie im Falle Jackson Martinez, bei jedem Top-Club in Europa spielen könnten. Lassen wir uns aber nichts vormachen. Natürlich sind die enormen Gehälter, die in China bezahlt werden ein maßgeblicher Grund für den Exodus vieler Stars aus Europa. Denn hinter den meisten Vereinen stehen große Firmen, die im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas enorme finanzielle Ressourcen erhalten haben. Und ähnlich, wie in den Vereinigten Staaten, wo Basketball- oder auch American Football-Clubs von vermögenden Besitzern geführt werden, haben sich viele Unternehmen in China für Fußballvereine entschieden, um ihr Geld zu investieren. So steckt hinter Beijing Guoan die staatliche Finanz- und Investimentgruppe CITIC, hinter Chongqing Lifan das gleichnamige Autounternehmen Lifa und hinter Jiangsu Suning die Suning Commerce Group. Und dies sind nur einige Beispiele aus der Liga.

Natürlich lässt sich darüber streiten, ob dies eine legitime Art ist einen Fußball-Club zu leiten. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass selbst englische Traditionsvereine von russischen Oligarchen oder Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt werden, muss man sich inzwischen eingestehen, dass vermögende Besitzer inzwischen genau so zum Fußball gehören, wie Bier und Tore.

(Das Stadion von Guangzhou Evergrande inmitten der Millionen-Meteropole.

Foto: http://funlok.info/2010/11/Preparations-for-the-opening-of-the-Asian-Games-in-China-021.jpg)

Während man sich jedoch in Europa vor unfairen Wettbewerbsverhältnissen angesichts der riesigen Geldsummen fürchtet, muss man am Beispiel China festhalten, dass die Teilnahme vieler prominenter Firmen an der Liga definitiv ein gutes Element darstellt. Wie eingangs erwähnt ist die Super League immer noch relativ jung und stand vor der Umstrukturierung kurz vor einem finanziellen Super-GAU. Doch die Anwesenheit zahlreicher großer Unternehmen zeigt, dass diese Liga definitiv Potenzial besitzt. Außerdem ist das Fußballgeschäft kein Ponyhof mehr. Man benötigt Geld, um Fortschritt und Entwicklung zu generieren. Und da kommt die Hilfe von einigen Investoren gerade recht. Man sollte jedoch aufpassen, dass es in Zukunft zu keinen einseitigen Investitionen kommt. Gerade Guangzhou Evergrande steht da im Fokus der Öffentlichkeit, da sie dank zahlreicher Eigentümer, unter anderem auch der chinesische Internetmogul Jack Ma, über ein riesiges Finanzvolumen verfügen. Und gelingt es den anderen Teams nicht mitzuziehen, kann sich die Liga schnell zu einer einseitigen und langweiligen Angelegenheit entwickeln, was für die Entwicklung des Sports natürlich kontraproduktiv ist. Die Zukunft bleibt also spannend! 

Die Politik spielt mit 

(Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und der britische Premierminister treffen sich mit Spielern und Funktionären von Manchester City.

Foto: http://www.larazon.com.ar/show/visita-Xi-Jinping-todas-miradas_IECIMA20151027_0069_3.jpg)

Der jüngste Aufstieg der chinesischen Liga ist nicht nur ein Resultat investitionsfreudiger Großunternehmer. Auch die Politik hat großes Interesse an der Förderung des Sports. Dies liegt zum Teil auch am großen Interesse des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping an dem Sport. So besuchte er nicht ohne Grund das Trainingsgelände des britischen Clubs Manchester City während seines Staatsbesuch in Großbritannien im Jahr 2015. Dabei handelt es sich um ein Ereignis, welches im Einklang mit ähnlichen Momenten lag, wie zum Beispiel ein Gespräch mit dem legendären holländischen Torhüter Edwin van der Sar im Rahmen eines Banketts, welches vom niederländischen König Willem-Alexander abgehalten wurde oder dem Trikot des deutschen Clubs Bayer Leverkusen, welches er im Jahr 2009 nach einem Besuch bei dem Pharmaunternehmen erhielt. Aber Xis Interesse und das der Kommunistischen Partei Chinas geht noch weiter: Im April 2016 veröffentlichte der chinesische Fußballverband ein ausführliches strategisches Memo, welches den hauseigenen Plan skizzierte, mit dem man bis 2050 eine „weltweite Fußball-Supermacht“ werden soll. Zu dem Plan gehört unter anderem der Aufbau von 20.000 Trainingszentren und 70.000 Spielplätzen bis zum Jahr 2020. Außerdem soll die Männernationalmannschaft bis 2030 die beste in Asien werden, während die Frauen als Weltkasse-Mannschaft angesehen werden sollen. Das endgültige Ziel lautet bis 2050 den Status einer „erstklassigen Fußballmacht“ zu erlangen, die zum „internationalen Fußballsport beiträgt“. Dabei handelt es sich definitiv um mutige Pläne, aber in Anbetracht des gesellschaftlichen und politischen Enthusiasmus würde ich mich nicht wundern, wenn sie sogar vor 2050 gelingen.

China im Fokus europäischer Top-Clubs 

(Chinesische Fans des FC Bayern München jubeln ihren Stars zu.

Foto: http://3.i.baomoi.xdn.vn/w205/15/12/07/232/18163292/2_130837.jpg)

Nachdem wir jetzt über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des chinesischen Fußballs gesprochen haben, möchte ich jetzt auf einen weiteren integralen Bestandteil des Ballsports im Reich der Mitte eingehen, und zwar die Vermarktungsfähigkeit. In der chinesischen Politik wird  beispielsweise oft über das Phänomen des „gegenseitigen Vorteils“ gesprochen. Und dieses Element lässt sich auch in den Reisen vieler europäischer Spitzenklubs nach China erkennen. Das beste Beispiel ist natürlich der jüngste China-Trip des deutschen Rekordmeisters Bayern München, den man im Sommer 2015 unternommen hat. Auf einer Reise, die das bayerische Starensemble durch Beijing, Shanghai und Guangzhou führte, spielte man nicht nur gegen andere Vereine, darunter auch Inter Mailand und Guangzhou Evergrande, sondern absolvierte auch eine ganze Reihe von Marketing-Aktivitäten, wie zum Beispiel Sponsorenbesuche und Autogrammstunden. Spitzenclubs, die den Weg nach China antreten verfolgen natürlich ein wirtschaftliches Interesse, was auf den riesigen Fan-Markt und seinem gigantischen Investitionsvolumen zurückzuführen ist. China hingegen hilft es dem Sport, der ansonsten weit weg von zu Hause auf Spitzenniveau gespielt wird, etwas näher nach Hause zu bringen. Und indem die Fans ihren Vorbildern direkt am Spielfeld zujubeln können, mobilisiert man die Massen, was der Popularität vor allem auf lange Sicht extrem zugute kommen wird. Viele Clubs haben China bereits mehrere Male besucht und klar gemacht, dass eine solche Reise mehr als nur ein einmaliges Ereignis ist. Noch ambitionierter sind im Übrigen die Italiener, die 4 ihrer 7 letzten Supercoppa-Endspiele, ein Wettbewerb, wo der Meister gegen den Pokalsieger antritt, in China ausgetragen haben. Trotz der enormen Entfernung zwischen China und Europa kommt sich der Sport also Schritt für Schritt näher. Man darf gespannt sein, in welchem Bereich es als nächstes zum Austausch kommt. Am naheliegendsten wäre natürlich ein Spielertransfer von China nach Europa. Und obwohl es diese schon in der Vergangenheit gab, blieben wahre Erfolgsgeschichten bislang leider aus. Aber sollte es in Zukunft tatsächlich mal einen chinesischen Kicker geben, der auch in Europa einschlägt, würde das die Beziehung zwischen den beiden Seiten nochmal enger machen.

Wann kommt der chinesische Weltmeister?

(Chinesische Fußballfans erfreuen sich am Pokal der Fußball-Weltmeisterschaft.

Foto: http://amanaimages.com/editorial/index.aspx?SearchMode=7&FromDir=keyword&Page=Search&KeyWord=ICH0015555178G&ImageID=)

Wie wir also gelernt haben verfügt der chinesische Fußball also nicht nur über eine überraschend weitreichende Vergangenheit, sondern auch über eine turbulente Gegenwart mit dem allgegenwärtigen Ziel bis 2050 eine internationale Fußballmacht zu werden. Man darf gespannt sein, wann der schlafende Gigant vollends aufwacht und möglicherweise sogar zum WM-Titel greift. Als China-interessierter Fußball-Fan bin ich mir aber sicher, dass dieser Moment früher kommen wird, als viele erwarten.

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