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Wie groß ist Merkels Chance für eine Wiederwahl?

German.xinhuanet.com | 22-11-2016 16:30:02 | Xinhuanet

von Yan Feng, Feng Yujing

BEIJING, 22. November (Xinhuanet) -- Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gab am Abend des 20. Novembers in Berlin offiziell bekannt, dass sie zur deutschen Bundestagswahl im nächsten Jahr erneut für das Amt der Bundeskanzlerin kandidieren werde. Analysten sind der Meinung, dass der Zeitpunkt für Merkels Bekanntgabe der Bestrebungen für eine vierte Amtszeit das Ergebnis von Untersuchungen zur Situation und einer sorgfältigen Wahl des Zeitpunktes nach der politischen Notlage sei. Angesichts der derzeitigen Situation sei die Chance für Merkels Sieg bei der Wahl im nächsten Jahr sehr groß, aber es gäbe auch Unsicherheiten.

Zuvor keine guten Perspektiven

In den letzten Monaten gab es viele Diskussionen darüber, ob Merkel planen würde, ihr Amt fortzusetzen. In den politischen Kreisen Deutschlands hat Merkel eigentlich keine starken Gegner. Der Grund dafür, dass die Frage ihrer Wiederwahl zu einem Thema wurde, liegt darin, dass ihre Flüchtlingspolitik in Deutschland Meinungsverschiedenheiten ausgelöst und ihre politische Zukunft beeinflusst hat.

Bei Landtagswahlen im September, die in Mecklenburg-Vorpommern und der Hauptstadt Berlin stattfanden, erfuhr die von Merkel geführte CDU nacheinander Niederlagen. Zudem ist Mecklenburg-Vorpommern Merkels politische Basis. Die Niederlagen der CDU sind mit dem Aufschwung der rechten Partei Alternative für Deutschland (AfD), die stark gegen Merkels Flüchtlingspolitik ist, verbunden. Merkel geriet noch weiter in eine negative Situation, als die Schwesterpartei der CDU, die CSU, welche im Bundesland Bayern regiert, ihre Unzufriedenheit zu Merkels Flüchtlingspolitik öffentlich äußerte und diese selbst für eine Zeit lang überlegte, ob sie Merkels Wiederwahl unterstützen würde.

Eine Meinungsumfrage im August zeigte, dass 50% der deutschen Bevölkerung gegen Merkels Bestrebungen um eine vierte Amtsperiode sind, und nur 42% der Menschen ihre Wiederwahl unterstützen. Im Vergleich zu den 45% im November des Vorjahres sank die Zahl damit weiter. Laut der deutschen Wochenzeitung „Spiegel“ habe Merkel eigentlich geplant, ihre Entscheidung über die Teilnahme an der Wahl am Anfang dieses Jahres bekanntzugeben. Allerdings hat die Intensivierung der Flüchtlingskrise offensichtlich diesen Plan beeinflusst, weswegen sie sich lange Zeit nicht bezüglich der Frage über eine Wiederwahl äußerte.  

Wandel der Situation

Auf einer Pressekonferenz am Abend des 20. November erklärte Merkel, dass sie wiederholt gefragt wurde, ob sie noch einmal kandidieren werde. Damals antwortete sie, dass sie zu „gegebener Zeit“ ihre Entscheidung verkünden werde und „jetzt ist die gegebene Zeit gekommen“.

Laut deutschen Medienberichten lag die öffentliche Zustimmung für Merkel im September dieses Jahres bei 45% und stieg einen Monat später auf 54%. Analysten meinen, dass Merkel die schwierigste Phase überwunden habe und sich die Situation in eine für sie vorteilhafte Richtung entwickle. Indem sie ihre Kandidatur zu diesem Zeitpunkt verkündete, habe sie eine äußerst günstige Gelegenheit ergriffen.

Von der nationalen Situation her betrachtet, konnten die negativen Auswirkungen der Flüchtlingspolitik schrittweise unter Kontrolle gebracht werden. Erstens, das terroristische Attentat, das sich im Juli in Deutschland ereignete. Obwohl ihre politischen Gegner und die Medien das Attentat und ihre Flüchtlingspolitik kritisierten, lehnte es die Regierung Merkel von Anfang an ab, dieses Ereignis mit der Flüchtlingspolitik zu verbinden. Dies diente in gewissem Maße als eine politische Schadensbegrenzung. Zweitens, deutsche Medien meinen, dass die Maßnahmen zur Kontrolle und Unterbringung der Flüchtlinge, die die Regierung Merkel frühzeitig ergriffen hatte, in letzter Zeit schrittweise Ergebnisse zeigten. Drittens, die Regierung Merkel hat wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen. In den letzten Monaten kam es nicht erneut zu ernsthaften terroristischen Attentaten und die Angst der Bevölkerung wurde in großem Maße gemildert.

Von der internationalen Situation her betrachtet, führten eine Reihe von Faktoren, wie die Wahl Trumps zum US-Präsidenten, der britische Volksentscheid für den „Brexit“ und die rechten Kräfte, die in Frankreich mit großer Sicherheit an die Macht gelangen werden, in allen Teilen Europas zu einem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit. Im Vergleich dazu ist die deutsche Politik relativ stabil und die wirtschaftliche Leistung bemerkenswert. Deutschland nimmt in europäischen Angelegenheiten offensichtlich eine zunehmende Führungsposition und -funktion ein. Merkels Führungsqualitäten werden einstimmig gelobt. Sie ist natürlich zu einem „stabilisierenden Faktor“ geworden, den Europa für die Zukunft sehnlichst erwartet und die Erwartungen der deutschen Öffentlichkeit an sie haben sich auch erhöht.

Perspektiven und Herausforderungen

Obwohl Merkel zuvor aufgrund der Flüchtlingskrise in eine politische Notlage geriet, hat sie bislang in der CDU und in den deutschen politischen Kreisen keine starken Gegner. Der CSU-Vorsitzende und Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat bereits deutlich seine Unterstützung für Merkels Wiederwahl ausgedrückt. Zudem ist der Vorsitzende der Koalitionspartei SPD, Vizekanzler und zugleich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch nicht in der Lage, eine bedeutende Herausforderung für Merkels Wiederwahl zu sein. Aufgrund dessen ist die deutsche öffentliche Meinung durchgängig der Ansicht, dass, wenn es zu keinen Überraschungen kommt, Merkels vierte Amtszeit keine Frage sein sollte.   Merkel selbst hat gegenüber den Wahlperspektiven eine verhaltene Meinung. In der Bekanntgabe ihrer erneuten Kandidatur als Kanzlerkandidatin äußerte sie, dass die Bundestagswahl im kommenden Jahr „keine leichte Sache“ sei.   Analysten wiesen darauf hin, dass der Umgang mit der Flüchtlingskrise und die Behebung der Volksunzufriedenheit, als auch die Verhinderung von Terroranschlägen und die Gewährleistung der Sicherheit der Gesellschaft, immer noch zwei wesentliche Hindernisse auf dem Weg zu Merkels Wiederwahl sind. Gu Xuewu, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Direktor des Center for Global Studies der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, erwartet, dass Merkel im Vorfeld der Wahl kontinuierlich einige neue Maßnahmen umsetzen und das Sicherheitsgefühl der Deutschen steigern werde, unter anderem durch die Zwangszurückführung von „Wirtschaftsflüchtlingen”, die illegal nach Deutschland gekommen sind, als auch die verstärkte Förderung der Assimilationspolitik für Flüchtlinge.

(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)

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