Kommunikation: Erlebnisse und Forschung nutzen, um Vorurteile herauszufordern - Erinnerungen an den deutschen Sinologen Ingo Nentwig
Von einem Kind aus einer Arbeiterfamilie zum Gelehrten der Völkerkunde
Ich reiste mehrmals nach Ingo Nentwigs Heimatstadt Rödinghausen, welches in der Nähe von Hannover liegt, um ihm einen Besuch abzustatten. Wie hat dieser Mann, der in einem kleinen Arbeiterhaushalt geboren wurde, eine unzertrennbare Beziehung zu China geknüpft?
Laut Nentwig war er schon seit klein auf an Politik interessiert. Im Alter von knapp 15 Jahren kam er mit der deutschsprachigen Ausgabe der Schriften von Mao Zedong in Berührung. Und hieraus entsprang sein Wunsch Chinesisch zu lernen, um die Originalwerke von Mao Zedong lesen zu können. Außerdem sprach er während einer Philosophie-Stunde auf dem Gymnasium mit seinem Lehrer über die chinesische Philosophie der Hundert Schulen. Auch dies ließ in ihm ein großes Interesse an China entstehen. Im Jahr 1979 begann er sein Studium an der Universität Münster. Er studierte Sinologie, Völkerkunde und Philosophie.
Im Jahr 1982 erhielt der damals 22 Jahre alte Ingo Nentwig finanzielle Hilfe in Form eines Stipendiums vom chinesischen Ministerium für Bildung, um an der Liaoning Universität in Dalian 3 Jahre lang studieren zu können. Dort studierte er Mündliche Überlieferung, chinesische Völkerkunde und Mongolisch. Außerdem erlebte er persönlich die Reform und Öffnung von Deng Xiaoping, welche der chinesischen Gesellschaft enorme Veränderungen einbrachte.
Nachdem er im Jahr 1985 zurück nach Deutschland kehrte, ging Ingo Nentwig wieder an die Freie Universität Berlin, um Sinologie, Mandschu, Völkerkunde und Philosophie zu studieren. Im Jahr 1994 erhielt er den Doktortitel. Das Thema seiner Arbeit lautete: Schamanen zwischen Zeremonie und Erzählung. Materialien zu Glaubensvorstellungen in den mündlichen Überlieferungen der Daur, Ewenken, Oroqen und Hezhen unter besonderer Berücksichtigung der chinesischen Forschung.
Ingo Nentwig war begierig nach Wissen, aber kein Bücherwurm, der sich die ganze Zeit im Elfenbeinturm aufhielt. Er drang bereits tief in die Gebiete von ethnischen Minderheiten aus China ein, um direkt vor Ort zahlreiche Forschungen durchzuführen, einschließlich der Rentier-Aufzuchtstation der Ewenke-Ethnie in der nordwestchinesischen Gebirgskette Daxing’anling, dem Hulunbuir-Grasland in der Inneren Mongolei, dem Mongolischen Autonomen Gebiet und Mandschu in der chinesischen Provinz Liaoning, sowie anderen Gebieten.