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Die Große Mauer

German.xinhuanet.com | 16-05-2016 14:04:50 | Xinhuanet

Abspaltung und Integration

Geographische Struktur und klimatische Bedingungen Chinas führten von Alters her zur Entwicklung zweier unterschiedlicher Kulturen. Der Süden, wo der Boden nutzbar ist und ein warmes Klima vorherrscht, eignete sich für den Ackerbau. Der kalte Norden war insbesondere für die Viehhaltung geeignet. Der Süden hatte eine verhältnismäßig weit entwickelte Landwirtschaft, während der Norden rückständiger war. Stabilität war für die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung im Süden wichtig. Die Stämme im Norden hingegen waren als Viehhalter sehr mobil. Da ihre Erzeugnisse aus der Tierhaltung begrenzt und weniger verlässlich waren, hingen sie von den landwirtschaftlichen Produkten im Süden ab. Die Invasionen des Südens durch die Nomadenvölker aus dem Norden erfolgten oftmals mehr aus wirtschaftlicher Notwendigkeit als aus dem Bestreben nach Expansion.

Beginnend mit der Qin-Dynastie vor über zweitausend Jahren bis zu den späteren Dynastien drangen Stämme aus dem Norden, wie die Xianyun, die Xiongnu, die Tujue, die Huihe, die Qidan (Kitan), die Nüzhen (Dschurdschen) und die Mongolen immer wieder in den Süden ein. Oft unterlagen die dortigen Truppen den wendigen Reitern aus dem Norden. In dieser Lage diente die Große Mauer als wenn auch nicht perfekte, so doch wirkungsvolle Verteidigungslinie.

So trennte die Große Mauer die Stämme im Norden und im Süden voneinander und beschränkte zugleich den Kontakt zwischen ihnen. Doch verringerte sie die Konflikte zwischen beiden Seiten, so dass sie sich unabhängig voneinander entwickeln konnten. Im Süden schützte und förderte die Mauer die agrarische Wirtschaft; gleichzeitig zwang sie die Stämme im Norden, die Plünderungen des Südens aufzugeben und ihre eigene Zivilisation zu entwickeln. Die Mauer legte so die Grundlage für den späteren Austausch und die Verständigung zwischen den Kulturen im Süden und im Norden.

Beobachtungs- und Verteidigungsturm auf der Großen Mauer

Ohne die Große Mauer wäre die chinesische Geschichte anders verlaufen. Der Vater der chinesischen Republik Dr. Sun Yat-sen (1866-1925), der Anführer der Revolutionäre, die 1911 die kaiserliche Qing-Dynastie (1616-1911) stürzten, drückte das so aus: „Aus heutiger Sicht wäre die chinesische Zivilisation ohne die Große Mauer in der späten Qin-Zeit oder frühen Han-Zeit von den Stämmen aus dem Norden zerstört worden, lange vor der Song- (960-1279) und der Ming-Zeit. Dann wäre es weder zur Blüte in der Han- und Tang-Zeit (618-907) gekommen noch zur Integration der südlichen und nördlichen Völker.“

Im Verlauf der Geschichte entwickelten sich entlang der Großen Mauer wirtschaftlich prosperierende Gebiete, insbesondere in der Nähe der Dutzende von Pässen, wo Menschen von beiden Seiten wirtschaftlichen und kulturellen Austausch miteinander pflegten. Lange Zeit ergänzten der Ackerbau im Süden und die Tierhaltung im Norden einander und waren voneinander abhängig. So entwickelten sich durch die Mauer neue wirtschaftliche Strukturen, die für beide Seiten von Nutzen waren.

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