Tibet: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Expertendiskussion in Berlin
BERLIN, 7. Dezember (Xinhua) -- Anlässlich des 50. Jubiläums des Autonomen Gebiets Tibet hat die Botschaft der Volksrepublik China zu einer Podiumsdiskussion, mit dem Thema „Tibet: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“, in der vergangene Woche in Berlin eingeladen.
Eine Expertenrunde, bestehend aus Awang, Vizevorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des Autonomen Gebiets Tibet, Markus Rudolph, Chinaexperte des Landesfachausschusses der CDU Hamburg, Albert Ettinger, Autor der Bücher „Freies Tibet?: Staat, Gesellschaft und Ideologie im real existierenden Lamaismus“ und „Kampf um Tibet: Geschichte, Hintergründe und Perspektiven eines internationalen Konflikts“, und Andreas Gruschke, deutscher Tibetologe und Gastprofessor am Institute of Social Development & Western China Development Studies der Sichuan-Universität, hat sich zusammengefunden, um zu diesem Thema ihre Sicht der Dinge zu präsentieren.
Zuerst fand der chinesische Botschafter Shi Mingde einleitende Worte, um einen sachlichen Austausch an Argumenten anzuregen. Hierbei war ihm aufgrund des „hier zu Lande einseitig und mit großer Voreingenommenheit“ geführten Dialogs wichtig, dass eben auch über „die Geschichte, Kultur, Tradition und die großen Veränderung, die Tibet in den letzten Jahrzehnten durchgemacht hat“, gesprochen wird. Ihm zufolge soll mit diesem Symposium eine Plattform geboten werden, die eine unvoreingenommenere Auseinandersetzung zu jenem Thema gewährleistet.
Zur Eröffnung der Diskussionsrunde übernahm Moderator Andreas Gruschke das Wort und bat den Gastexperten aus Tibet, Awang, kurz die Situation in Tibet darzustellen. Awang erzählte von der Entwicklung in Tibet. Seiner Meinung nach hat sich Tibet „insbesondere durch die Einführung der Reform- und Öffnungspolitik schnell entwickelt. Im Vergleich zu vorher haben sich grundlegende Veränderungen vollzogen.“ Als Beleg hierfür führt Awang das BIP an, das im Vergleich von 1965 zu 2014 um ein 69faches angestiegen ist. Nichtsdestotrotz fügt er hinzu, dass es noch „vieles zu verbessern gibt“, da z.B. die „Wirtschaftsleistung noch nicht gut genug ist“.
Dann fing man an, über die Vergangheiten Tibets zu diskutieren. Ettinger befand die Auffassung der „Groß-Tibet-Vision des Dalai Lamas“,die ein Viertel des heutigen chinesischen Territoriums ausmacht, auf die viele (bewusst oder unbewusst) sich heute noch berufen, als eine „Absurdität“. Das wäre so, „als ob man sich in Deutschland heute noch auf Karl den Großen berufen würde, um Grenzen festzulegen.” Wenn man über Tibet spricht, ist die Figur Dalai Lama unumgänglich. Ettinger meinte, der Dalai Lama sei „sicher nicht so etwas wie ein buddhistischer Papst“ . Aus Gruschkes Sicht war der Dalai Lama weder ein politisches noch ein religiöses Oberhaupt für alle Tibeter. „Das liegt vor allem daran, dass es verschiedene Schulen im tibetischen Buddhismus gibt.”
Besonders interessant ist die Wahrnehmung des Dalai Lamas in Europa. So werde aus Herr Rudolfs Sicht der Dalai Lama „gefeiert wie ein Popstar“. Das sei ganz interessant, wenn man sich anschaut, dass die Leute in Europa sich mehr und mehr vom katholischen Glauben abwenden. “Viele Europäer wenden dem Buddhismus zu, ohne zu wissen, dass es fünf unterschiedliche Schulen gibt.”Für viele Europäer gebe es nur den Buddhismus in Person des Dalai Lamas.
Nach dem Ende der Kulturrevolution hat sich nach Angaben von Gruschke der Buddhismus in seiner Blütezeit befunden. „Wenn über Menschenrechte gesprochen wird, dann wird häufig auch über Religionsfreiheit gesprochen.“ Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein Recht jedes Bürgers in der Volksrepublik China. Im Gegenzug „erwartet der Staat allerdings, dass die Religion sich aus der Politik raushält.“
Für Herrn Rudolf stellt sich die Frage, warum sich so viele Menschen für Tibet interessieren. „Es gibt so viele andere Länder auf der Welt in denen es Probleme gibt. Warum Tibet? Weil es dort die Verknüpfung mit dem Dalai Lama und dem Buddhismus gibt, was natürlich religiöse Schwärmerei ist. Im Fall von Tibet wird Religion und Politik in einen Topf geworfen.“
Ettinger erklärt es für notwendig, dass man in der Tibet-Thematik ein bisschen genauer hinschauen sollte. So sollen zur Zeit der Kulturrevolution angeblich 6.000 Klöster zerstört worden sein. „Die Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen.“ Es gab in Tibet etwa mehr als 3000 Klöster, also es kann nicht sein, dass es mehr zerstört wurde als es gab. Laut einer nicht näher genannten wissenschaftlichen Quelle sagte Ettinger, dass die chinesische Zentralregierung den Wiederaufbau von 1.787 Klöstern in den letzten Jahrzehnten finanziert habe. Erwähnenswert aus Ettingers Sicht scheint die Tatsache, dass die oft so gewaltlos dargestellten Mönche in Tibet auch verantwortlich waren für einige Unruhen, die es in den letzten Jahrzehnten gab. „Die Unruhen in 2008 waren durchaus gewalttätig. Es wurden teilweise Leute auf der Straße gelyncht. Man hat Geschäfte angezündet. Das wurde hier natürlich wieder völlig anders dargestellt und auch in der Presse hat das keinen Niederschlag gefunden.“ Zum Schluss kam noch zur Sprache, dass in Tibet ein gewisser Religionszwang üblich war. Es ist relativ normal, dass tibetische Eltern ihre sechs- oder siebenjährigen Kinder ins Kloster schicken, ohne die Kindern zu fragen. Wo bleibt das Menschenrecht des Kindes, das auf Lebenszeit im Kloster leben muss?“, fragt Gruschke zum Ende der Diskussionsrunde.
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