Essen im App-Zeitalter – Wie junge Start-ups Chinas Delivery-Branche umkrempeln

Von Verena Menzel

„Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks.“ Diese weisen Worte stammen aus dem Mund des französischen Meisterkochs Auguste Escoffier (1846-1935), der einst durch seine Publikation des „Guide Culinaire“ Weltruhm erlangte. Heute allerdings bleibt die Küche vielerorts immer häufiger kalt. Besonders im modernen Großstadtleben nehmen immer mehr Menschen rund um den Erdball Abschied vom Kochen, ja verlernen es gar.

Die traditionellen Strukturen, in denen Mütter und Großmütter hinterm Herd standen und ihr kulinarisches Wissen an die nächste Töchtergeneration weitergaben, sind passé. Stattdessen verbringen wir heutzutage immer weniger Zeit in der guten, alten Kochstube, wie jüngst eine groß angelegte internationale Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung, Deutschlands größtem Marktforschungsinstitut, gezeigt hat. Die Macher der Studie hatten insgesamt 27.000 Teilnehmer aus 22 Ländern im Alter von 15 Jahren aufwärts danach gefragt, wie viel Zeit sie pro Woche in der Küche verbringen. Das Ergebnis: Deutsche und Franzosen gaben an, im Schnitt 5,4 bzw. 5,5 Stunden pro Woche am Herd zu stehen, die Chinesen kamen immerhin auf 5,8 Wochenstunden. Alle drei Länder lagen damit allerdings noch unter dem Länderdurchschnitt von 6,4 Wochenstunden. Der Durchschnittsbürger verbringt heute also weniger als eine Stunde pro Tag mit der Zubereitung seiner Speisen.

Boomendes Geschäft nicht nur an Feiertagen: Noch bilden Studenten und Büroangestellte den größten Kundenstamm chinesischer Lieferdienste, aber auch in die Wohnviertel düsen die Essensboten mit ihren Elektrobikes immer häufiger.

Berufliche Belastung und Zeitmangel, Single-Dasein und mehr Geld im Portemonnaie für zeitsparende und bequeme Alternativen – es gibt viele Gründe, weshalb im Alltag von Paris bis Peking immer weniger Menschen den Kochlöffel schwingen. Doch anders als etwa in Deutschland oder Frankreich, wo viele Menschen oft auf wenig nahrhafte Snacks, Fastfood oder Fertiggerichte aus dem Kühlregal zurückgreifen, will man sich in China, dem Land der Leckermäuler, so einfach nicht abspeisen lassen. In der Volksrepublik haben findige Geschäftsleute längst aus der Not eine Tugend gemacht und zahlreiche Online-to-Offline-Geschäftsideen ersonnen, um auch im schneller gewordenen Lebensrhythmus der Moderne auf bequeme Weise eine leckere und ausgewogene Mahlzeit auf den Teller zu bringen.

Neue Wege der Nahrungsmittelbeschaffung

Eine Branche, die hier seit einigen Jahren besonders boomt, ist die der Lieferservice-Websites. Nach einer Erhebung von Analysys Qianfan erreichte der chinesische Markt für Onlinelieferdienste im vergangenen Jahr ein Finanzvolumen von stolzen 45,8 Milliarden Yuan, umgerechnet rund 6,4 Milliarden Euro, eine Zunahme von über 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den nächsten fünf Jahren dürfte der Markt weiter kräftig wachsen, so die Prognose. Bis 2018 wird er laut Analysys Qianfan voraussichtlich ein Volumen von 245,5 Milliarden Yuan (34,4 Milliarden Euro) erreichen.

Zu den Big Playern der chinesischen Branche zählen neben den Lieferdiensten einiger großer Restaurantketten wie McDonalds, die mittlerweile natürlich auch ihre eigene App lanciert haben, unter anderem die Plattformen Meituan Waimai (美团外卖), ele.me (饿了么), Taobaos Delivery-App Tao Diandian (淘点点), Baidu Waimai (百度外卖) sowie die Liefer-App des Onlineriesen Jingdong (东京到家). Sie alle landeten 2015 in den Top 10 der chinesischen Downloadcharts für Lieferservice-Apps (Quelle: askci.com).

Warum die Bestell-Apps insbesondere unter Chinas Großstädtern so beliebt sind, liegt auf der Hand: Mit ein paar Klicks lassen sich über sie von jedem Standort aus die beliebtesten Restaurants im Umkreis ausmachen, bebilderte Speisekarten und Bewertungen abrufen und dann in Sekundenschnelle Bestellungen aufgeben. Ähnlich wie bei einer Expresssendung kann der User über die Applikation auch den genauen Stand seiner Bestellung von der Zubereitungsphase, über die Abholung bis zur Auslieferung auf dem Smartphone nachverfolgen. Wenige Zeit später kommt das Lieblingsgericht dann per Bote direkt an die Haustür. Bezahlt wird entweder in bar oder vorab ganz bequem über Online-Dienste wie WeChat oder Alipay. Zudem bieten viele Websites kräftige Rabatte auf die Gerichte der Mitgliederrestaurants an, wobei oft selbst die ohnehin geringe Zustellungsgebühr von einigen Yuan entfällt.

Zahlen von Analysys Qianfan zeigen, dass Studenten und Büroangestellte den größten Kundenstamm der Dienste bilden, aber auch in die Wohnviertel düsen die Essensboten mit ihren Elektrobikes immer häufiger. Hier liegt Kennern zufolge in Zukunft auch das größte Wachstumspotential der Branche.

Doch Chinesen sind bekanntlich erfinderisch, sowohl wenn es um Kulinarisches als auch um das Aufspüren neuer Geschäftschancen geht. Und so haben in den letzten Jahren viele neue Start-ups den Vorstoß in die ohnehin junge Branche gewagt und machen so schon heute dem herkömmlichen Lieferdienstmodell vieler Anbieter gehörig Konkurrenz. Einige darunter konnten dank pfiffiger Geschäftsideen nicht nur das Herz der chinesischen Smartphone-User im Sturm erobern, sondern auch Millioneninvestitionen an Land ziehen.

Selbst Kochen mit dem „Jugendlichen Essensgentlemen“

„Jugendlicher Essensgentlemen“: Einer der aufstrebenden Neulinge der Branche ist das Portal „Mr. Food“, das alle Kochzutaten gewaschen und fertig geschnitten in die heimische Küche liefert.

Einer dieser aufstrebenden Neulinge der Branche ist das Portal „Mr. Food“, das im Jahr 2014 gegründet wurde. Die Geschäftsidee des Start-ups trifft den Nerv vieler Restaurantmuffel: Statt fertigen Gerichten aus großen Restaurantküchen liefert der Service, der auf Chinesisch „Jugendlicher Essensgentlemen“ (青年菜君) heißt, alle Grundzutaten für die Zubereitung ausgewählter Gerichte fertig gewaschen, geschnitten und feinsäuberlich in einzelne Tütchen sowie eine Plastikbox verpackt, direkt zum Kunden nach Hause. So können Berufstätige nach Feierabend auch ohne lästiges Einkaufen, Säubern, Schälen und Schneiden im Handumdrehen eigenhändig ein schmackhaftes Abendessen auf den Tisch zaubern. Auf der Homepage von „Mr. Food“ kann der Kunde aus zahlreichen chinesischen Klassikern wie Gongbaojiding, Yuxiangrousi oder beliebten Nudelgerichten wählen. Außerdem findet sich unter jedem Gericht eine bebilderte Kochanleitung, gegliedert in wenige, einfach nachvollziehbare Arbeitsschritte.

Gegründet haben „Mr. Food“ drei Absolventen der renommierten Beijinger Renmin-Universität, die für das Start-up kurzerhand ihre gut bezahlten Jobs an den Nagel gehängt hatten. Mit ihrer Idee eifern sie in gewisser Weise ausländischen Diensten wie dem amerikanischen Unternehmen Blue Apron oder dem Berliner Start-up HelloFresh nach, das mit seinen Foodboxen bereits seit 2011 den ausländischen Markt aufwirbelt. Das Konzept scheint vor allem für den chinesischen Markt wie geschaffen, vor allem angesichts immer wieder aufkeimender Lebensmittelskandale um die Verwendung minderwertiger Speiseöle und Zutaten sowie teils mangelnder Hygiene in einigen Restaurantküchen. Am heimischen Herd kann der Kunde mit Hilfe des „Jugendlichen Essensgentlemens“ naturbelassene Zutaten mit eigenen Gewürzen und Ölen verfeinern. Bestellt werden muss das Ganze allerdings einen Tag im Voraus, erst am Folgetag werden die Foodboxen dann direkt bis an die Haustür geliefert.

Chefkoch am eigenen Herd gefällig?

Wer nicht nur die Zutaten, sondern den Koch gleich mitgeliefert bekommen möchte, der sollte sich die App von „Good Chef“ (好厨师) auf sein Smartphone laden. Über dieses junge Start-up, das ebenfalls 2014 gegründet wurde und mittlerweile in Großstädten wie Shanghai, Hangzhou und Beijing aktiv ist, kann man sich seinen persönlichen Chefkoch für die eigenen vier Wände buchen. Die ausgebildeten Berufsköche, die für die Plattform arbeiten, erscheinen nicht nur optisch eindrucksvoll in blitzweißer Schürze und mit Kochmütze beim Kunden, sie bringen neben allen Zutaten falls nötig auch die Kochausrüstung mit. Selbst den Abwasch übernehmen die privaten Chefs am heimischen Herd.

Das Rundum-Sorglos-Paket ist für einen erschwinglichen Preis zu haben, der durchaus mit jedem herkömmlichen Delivery-Service mithalten kann. Im günstigsten Menü für 99 Yuan, umgerechnet knapp 14 Euro, sind vier exquisite Gerichte inklusive Fleisch und Fisch sowie eine Suppe enthalten. Zudem kann zwischen verschiedenen regionalen Küchen des Riesenreiches ausgewählt werden. Auch für Heimpartys, Firmenfeiern oder große Bankette hat „Good Chef“ Menü-Varianten im Angebot. Wer möchte, kann sich zudem bei seinem privaten Chefkoch ganz nebenbei einige Tricks und Kniffe abschauen und über die eigenen Kochverlieben fachsimpeln. Anders als bei einer Lieferservice-Bestellung lockt der „Gute Chefkoch“ also auch mit einer menschlichen Komponente.

Gerichte „wie bei Muttern“

Service mit menschlicher Note: Bei „Home-Cooked“ werden die Speisen nicht von Berufsköchen zubereitet, sondern von Hobbyköchen aus der näheren Umgebung.

Gemenschelt wird auch bei unserem nächsten Anbieter „Home-Cooked“ (回家吃饭). Auch über dessen App lassen sich leckere Gerichte direkt nach Hause bestellen. Der Unterschied allerdings: Die Speisen werden nicht von Berufsköchen in der Restaurantküche zubereitet, sondern von Hobbyköchen aus der näheren Umgebung in der heimischen Küche. Ordern muss man zudem in der Regel einen Tag im Voraus, damit die registrierten Laienköche Zeit haben, die nötigen Zutaten frisch einzukaufen.

Per GPS werden dem „Home-Cooked“-Nutzer über das Smartphone alle registrierten privaten Köche in der Umgebung angezeigt. Jeder von ihnen hat eine eigene Profilseite mit einer in der Regel bebilderten Speisekarte, in der er seine besten Gerichte und Kreationen anpreist, die zudem von den Kunden bewertet werden können.

Scrollt man sich durch die Liste der Hobbyköche, wird schnell deutlich, dass es oft vor allem Damen mittleren Alters, deren Kinder bereits aus dem Haus sind, sowie Seniorinnen sind, die ihre Kochkünste mit den Usern teilen möchten. Dass sie sich über die Plattform von der heimischen Küche aus ein kleines Zubrot verdienen können, spielt für viele dabei nur eine Nebenrolle. Vielen geht es wohl eher darum, ihre Freude am Kochen mit anderen zu teilen.

Anfangs haben Mitarbeiter der App die Laienköche noch auf den Gemüsemärkten Beijings und anderer Großstädte persönlich angeworben. Mittlerweile ist das Konzept zum Selbstläufer geworden. Dank dem Einstieg von Großinvestoren prangen selbst in vielen U-Bahn-Waggons Werbeplakate der App. Die Kochbegeisterten registrieren sich längst selbst über die Website des Unternehmens.

Um die hygienischen Standards zu gewährleisten, muss jeder der Hobbyköche vor der Aufnahme eine Hygieneschulung mitmachen und ein Gesundheitszertifikat erwerben. Außerdem inspizieren Mitarbeiter von „Home-Cooked“ die Küchen der Bewerber, geben letzte Tipps und Einweisungen und helfen auch bei der Einrichtung einer ansprechenden Profilseite. Danach gibt es noch einen letzten Testlauf mit einem Probekunden, der das Resultat aus dem Kochtopf anschließend bewertet. Ähnlich wie beispielsweise das Mietportal airbnb bietet „Home-Cooked“ seinen Freelance-Mitarbeitern zudem die kostenlosen Dienste eines Fotografen an, der, wenn gewünscht, professionelle Bilder von den angebotenen Gerichten für die digitale Speisekarte macht.

Geliefert werden die Gerichte im Übrigen, und das ist vielleicht eines der zentralen Erfolgsrezept des Start-ups, das seine Dienste mittlerweile in Beijing, Shanghai, Guangzhou, Shenzhen und Hangzhou anbietet, in der Regel auch von den Hobbyköchen persönlich. Ähnlich wie bei „Good Chef“ kommt also auch hier eine menschliche Komponente ins Spiel. Wer von zuhause aus bestellt, hat auf diese Weise die Chance, einige Menschen in der Nachbarschaft kennen zu lernen. So rückt die Gemeinschaft in den Wohnvierteln nebenbei wieder ein kleines Stück näher zusammen.

Die App vereint damit auf ein Neues Ressourcen, die in der Vergangenheit, vor der Zeit von Klein- und Singlehaushalten also, eigentlich auf ganz natürliche Weise ineinander griffen. Was im Verband der Großfamilie früher gang und gäbe war, nämlich dass einer kocht und viele essen, kann über die Applikation nun wieder auf schönem Wege verwirklicht werden. Denn für viele der Hobbyküche ist es, als kochten sie einfach eine weitere Portion mit. Und so schließt sich durch die Neuerungen des Internetzeitalters auf wundersame Weise der Kreis wieder und führt zurück in die heimische Küche. Und die ist ja bekanntlich, um es mit den Worten Auguste Escoffiers zu sagen, das Fundament allen Glücks.

 (Quelle: China Heute)

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Essen im App-Zeitalter – Wie junge Start-ups Chinas Delivery-Branche umkrempeln

GERMAN.XINHUA.COM 2016-04-29 16:00:16

Von Verena Menzel

„Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks.“ Diese weisen Worte stammen aus dem Mund des französischen Meisterkochs Auguste Escoffier (1846-1935), der einst durch seine Publikation des „Guide Culinaire“ Weltruhm erlangte. Heute allerdings bleibt die Küche vielerorts immer häufiger kalt. Besonders im modernen Großstadtleben nehmen immer mehr Menschen rund um den Erdball Abschied vom Kochen, ja verlernen es gar.

Die traditionellen Strukturen, in denen Mütter und Großmütter hinterm Herd standen und ihr kulinarisches Wissen an die nächste Töchtergeneration weitergaben, sind passé. Stattdessen verbringen wir heutzutage immer weniger Zeit in der guten, alten Kochstube, wie jüngst eine groß angelegte internationale Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung, Deutschlands größtem Marktforschungsinstitut, gezeigt hat. Die Macher der Studie hatten insgesamt 27.000 Teilnehmer aus 22 Ländern im Alter von 15 Jahren aufwärts danach gefragt, wie viel Zeit sie pro Woche in der Küche verbringen. Das Ergebnis: Deutsche und Franzosen gaben an, im Schnitt 5,4 bzw. 5,5 Stunden pro Woche am Herd zu stehen, die Chinesen kamen immerhin auf 5,8 Wochenstunden. Alle drei Länder lagen damit allerdings noch unter dem Länderdurchschnitt von 6,4 Wochenstunden. Der Durchschnittsbürger verbringt heute also weniger als eine Stunde pro Tag mit der Zubereitung seiner Speisen.

Boomendes Geschäft nicht nur an Feiertagen: Noch bilden Studenten und Büroangestellte den größten Kundenstamm chinesischer Lieferdienste, aber auch in die Wohnviertel düsen die Essensboten mit ihren Elektrobikes immer häufiger.

Berufliche Belastung und Zeitmangel, Single-Dasein und mehr Geld im Portemonnaie für zeitsparende und bequeme Alternativen – es gibt viele Gründe, weshalb im Alltag von Paris bis Peking immer weniger Menschen den Kochlöffel schwingen. Doch anders als etwa in Deutschland oder Frankreich, wo viele Menschen oft auf wenig nahrhafte Snacks, Fastfood oder Fertiggerichte aus dem Kühlregal zurückgreifen, will man sich in China, dem Land der Leckermäuler, so einfach nicht abspeisen lassen. In der Volksrepublik haben findige Geschäftsleute längst aus der Not eine Tugend gemacht und zahlreiche Online-to-Offline-Geschäftsideen ersonnen, um auch im schneller gewordenen Lebensrhythmus der Moderne auf bequeme Weise eine leckere und ausgewogene Mahlzeit auf den Teller zu bringen.

Neue Wege der Nahrungsmittelbeschaffung

Eine Branche, die hier seit einigen Jahren besonders boomt, ist die der Lieferservice-Websites. Nach einer Erhebung von Analysys Qianfan erreichte der chinesische Markt für Onlinelieferdienste im vergangenen Jahr ein Finanzvolumen von stolzen 45,8 Milliarden Yuan, umgerechnet rund 6,4 Milliarden Euro, eine Zunahme von über 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den nächsten fünf Jahren dürfte der Markt weiter kräftig wachsen, so die Prognose. Bis 2018 wird er laut Analysys Qianfan voraussichtlich ein Volumen von 245,5 Milliarden Yuan (34,4 Milliarden Euro) erreichen.

Zu den Big Playern der chinesischen Branche zählen neben den Lieferdiensten einiger großer Restaurantketten wie McDonalds, die mittlerweile natürlich auch ihre eigene App lanciert haben, unter anderem die Plattformen Meituan Waimai (美团外卖), ele.me (饿了么), Taobaos Delivery-App Tao Diandian (淘点点), Baidu Waimai (百度外卖) sowie die Liefer-App des Onlineriesen Jingdong (东京到家). Sie alle landeten 2015 in den Top 10 der chinesischen Downloadcharts für Lieferservice-Apps (Quelle: askci.com).

Warum die Bestell-Apps insbesondere unter Chinas Großstädtern so beliebt sind, liegt auf der Hand: Mit ein paar Klicks lassen sich über sie von jedem Standort aus die beliebtesten Restaurants im Umkreis ausmachen, bebilderte Speisekarten und Bewertungen abrufen und dann in Sekundenschnelle Bestellungen aufgeben. Ähnlich wie bei einer Expresssendung kann der User über die Applikation auch den genauen Stand seiner Bestellung von der Zubereitungsphase, über die Abholung bis zur Auslieferung auf dem Smartphone nachverfolgen. Wenige Zeit später kommt das Lieblingsgericht dann per Bote direkt an die Haustür. Bezahlt wird entweder in bar oder vorab ganz bequem über Online-Dienste wie WeChat oder Alipay. Zudem bieten viele Websites kräftige Rabatte auf die Gerichte der Mitgliederrestaurants an, wobei oft selbst die ohnehin geringe Zustellungsgebühr von einigen Yuan entfällt.

Zahlen von Analysys Qianfan zeigen, dass Studenten und Büroangestellte den größten Kundenstamm der Dienste bilden, aber auch in die Wohnviertel düsen die Essensboten mit ihren Elektrobikes immer häufiger. Hier liegt Kennern zufolge in Zukunft auch das größte Wachstumspotential der Branche.

Doch Chinesen sind bekanntlich erfinderisch, sowohl wenn es um Kulinarisches als auch um das Aufspüren neuer Geschäftschancen geht. Und so haben in den letzten Jahren viele neue Start-ups den Vorstoß in die ohnehin junge Branche gewagt und machen so schon heute dem herkömmlichen Lieferdienstmodell vieler Anbieter gehörig Konkurrenz. Einige darunter konnten dank pfiffiger Geschäftsideen nicht nur das Herz der chinesischen Smartphone-User im Sturm erobern, sondern auch Millioneninvestitionen an Land ziehen.

Selbst Kochen mit dem „Jugendlichen Essensgentlemen“

„Jugendlicher Essensgentlemen“: Einer der aufstrebenden Neulinge der Branche ist das Portal „Mr. Food“, das alle Kochzutaten gewaschen und fertig geschnitten in die heimische Küche liefert.

Einer dieser aufstrebenden Neulinge der Branche ist das Portal „Mr. Food“, das im Jahr 2014 gegründet wurde. Die Geschäftsidee des Start-ups trifft den Nerv vieler Restaurantmuffel: Statt fertigen Gerichten aus großen Restaurantküchen liefert der Service, der auf Chinesisch „Jugendlicher Essensgentlemen“ (青年菜君) heißt, alle Grundzutaten für die Zubereitung ausgewählter Gerichte fertig gewaschen, geschnitten und feinsäuberlich in einzelne Tütchen sowie eine Plastikbox verpackt, direkt zum Kunden nach Hause. So können Berufstätige nach Feierabend auch ohne lästiges Einkaufen, Säubern, Schälen und Schneiden im Handumdrehen eigenhändig ein schmackhaftes Abendessen auf den Tisch zaubern. Auf der Homepage von „Mr. Food“ kann der Kunde aus zahlreichen chinesischen Klassikern wie Gongbaojiding, Yuxiangrousi oder beliebten Nudelgerichten wählen. Außerdem findet sich unter jedem Gericht eine bebilderte Kochanleitung, gegliedert in wenige, einfach nachvollziehbare Arbeitsschritte.

Gegründet haben „Mr. Food“ drei Absolventen der renommierten Beijinger Renmin-Universität, die für das Start-up kurzerhand ihre gut bezahlten Jobs an den Nagel gehängt hatten. Mit ihrer Idee eifern sie in gewisser Weise ausländischen Diensten wie dem amerikanischen Unternehmen Blue Apron oder dem Berliner Start-up HelloFresh nach, das mit seinen Foodboxen bereits seit 2011 den ausländischen Markt aufwirbelt. Das Konzept scheint vor allem für den chinesischen Markt wie geschaffen, vor allem angesichts immer wieder aufkeimender Lebensmittelskandale um die Verwendung minderwertiger Speiseöle und Zutaten sowie teils mangelnder Hygiene in einigen Restaurantküchen. Am heimischen Herd kann der Kunde mit Hilfe des „Jugendlichen Essensgentlemens“ naturbelassene Zutaten mit eigenen Gewürzen und Ölen verfeinern. Bestellt werden muss das Ganze allerdings einen Tag im Voraus, erst am Folgetag werden die Foodboxen dann direkt bis an die Haustür geliefert.

Chefkoch am eigenen Herd gefällig?

Wer nicht nur die Zutaten, sondern den Koch gleich mitgeliefert bekommen möchte, der sollte sich die App von „Good Chef“ (好厨师) auf sein Smartphone laden. Über dieses junge Start-up, das ebenfalls 2014 gegründet wurde und mittlerweile in Großstädten wie Shanghai, Hangzhou und Beijing aktiv ist, kann man sich seinen persönlichen Chefkoch für die eigenen vier Wände buchen. Die ausgebildeten Berufsköche, die für die Plattform arbeiten, erscheinen nicht nur optisch eindrucksvoll in blitzweißer Schürze und mit Kochmütze beim Kunden, sie bringen neben allen Zutaten falls nötig auch die Kochausrüstung mit. Selbst den Abwasch übernehmen die privaten Chefs am heimischen Herd.

Das Rundum-Sorglos-Paket ist für einen erschwinglichen Preis zu haben, der durchaus mit jedem herkömmlichen Delivery-Service mithalten kann. Im günstigsten Menü für 99 Yuan, umgerechnet knapp 14 Euro, sind vier exquisite Gerichte inklusive Fleisch und Fisch sowie eine Suppe enthalten. Zudem kann zwischen verschiedenen regionalen Küchen des Riesenreiches ausgewählt werden. Auch für Heimpartys, Firmenfeiern oder große Bankette hat „Good Chef“ Menü-Varianten im Angebot. Wer möchte, kann sich zudem bei seinem privaten Chefkoch ganz nebenbei einige Tricks und Kniffe abschauen und über die eigenen Kochverlieben fachsimpeln. Anders als bei einer Lieferservice-Bestellung lockt der „Gute Chefkoch“ also auch mit einer menschlichen Komponente.

Gerichte „wie bei Muttern“

Service mit menschlicher Note: Bei „Home-Cooked“ werden die Speisen nicht von Berufsköchen zubereitet, sondern von Hobbyköchen aus der näheren Umgebung.

Gemenschelt wird auch bei unserem nächsten Anbieter „Home-Cooked“ (回家吃饭). Auch über dessen App lassen sich leckere Gerichte direkt nach Hause bestellen. Der Unterschied allerdings: Die Speisen werden nicht von Berufsköchen in der Restaurantküche zubereitet, sondern von Hobbyköchen aus der näheren Umgebung in der heimischen Küche. Ordern muss man zudem in der Regel einen Tag im Voraus, damit die registrierten Laienköche Zeit haben, die nötigen Zutaten frisch einzukaufen.

Per GPS werden dem „Home-Cooked“-Nutzer über das Smartphone alle registrierten privaten Köche in der Umgebung angezeigt. Jeder von ihnen hat eine eigene Profilseite mit einer in der Regel bebilderten Speisekarte, in der er seine besten Gerichte und Kreationen anpreist, die zudem von den Kunden bewertet werden können.

Scrollt man sich durch die Liste der Hobbyköche, wird schnell deutlich, dass es oft vor allem Damen mittleren Alters, deren Kinder bereits aus dem Haus sind, sowie Seniorinnen sind, die ihre Kochkünste mit den Usern teilen möchten. Dass sie sich über die Plattform von der heimischen Küche aus ein kleines Zubrot verdienen können, spielt für viele dabei nur eine Nebenrolle. Vielen geht es wohl eher darum, ihre Freude am Kochen mit anderen zu teilen.

Anfangs haben Mitarbeiter der App die Laienköche noch auf den Gemüsemärkten Beijings und anderer Großstädte persönlich angeworben. Mittlerweile ist das Konzept zum Selbstläufer geworden. Dank dem Einstieg von Großinvestoren prangen selbst in vielen U-Bahn-Waggons Werbeplakate der App. Die Kochbegeisterten registrieren sich längst selbst über die Website des Unternehmens.

Um die hygienischen Standards zu gewährleisten, muss jeder der Hobbyköche vor der Aufnahme eine Hygieneschulung mitmachen und ein Gesundheitszertifikat erwerben. Außerdem inspizieren Mitarbeiter von „Home-Cooked“ die Küchen der Bewerber, geben letzte Tipps und Einweisungen und helfen auch bei der Einrichtung einer ansprechenden Profilseite. Danach gibt es noch einen letzten Testlauf mit einem Probekunden, der das Resultat aus dem Kochtopf anschließend bewertet. Ähnlich wie beispielsweise das Mietportal airbnb bietet „Home-Cooked“ seinen Freelance-Mitarbeitern zudem die kostenlosen Dienste eines Fotografen an, der, wenn gewünscht, professionelle Bilder von den angebotenen Gerichten für die digitale Speisekarte macht.

Geliefert werden die Gerichte im Übrigen, und das ist vielleicht eines der zentralen Erfolgsrezept des Start-ups, das seine Dienste mittlerweile in Beijing, Shanghai, Guangzhou, Shenzhen und Hangzhou anbietet, in der Regel auch von den Hobbyköchen persönlich. Ähnlich wie bei „Good Chef“ kommt also auch hier eine menschliche Komponente ins Spiel. Wer von zuhause aus bestellt, hat auf diese Weise die Chance, einige Menschen in der Nachbarschaft kennen zu lernen. So rückt die Gemeinschaft in den Wohnvierteln nebenbei wieder ein kleines Stück näher zusammen.

Die App vereint damit auf ein Neues Ressourcen, die in der Vergangenheit, vor der Zeit von Klein- und Singlehaushalten also, eigentlich auf ganz natürliche Weise ineinander griffen. Was im Verband der Großfamilie früher gang und gäbe war, nämlich dass einer kocht und viele essen, kann über die Applikation nun wieder auf schönem Wege verwirklicht werden. Denn für viele der Hobbyküche ist es, als kochten sie einfach eine weitere Portion mit. Und so schließt sich durch die Neuerungen des Internetzeitalters auf wundersame Weise der Kreis wieder und führt zurück in die heimische Küche. Und die ist ja bekanntlich, um es mit den Worten Auguste Escoffiers zu sagen, das Fundament allen Glücks.

 (Quelle: China Heute)

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