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Interview mit der Geschäftsführerin von NRW.INVEST Frau Petra Wassner: China wird sich mehr auf die Digitalisierung der Wirtschaft konzentrieren

German.xinhuanet.com | 01-06-2016 15:28:48 | Xinhuanet

Geschäftsführerin von NRW.INVEST Frau Petra Wassner beim Exklusivinterview mit Xinhuanet (Xinhuanet)

BEIJING, 1. Juni (Xinhuanet) -- Am 28. Mai 2016 hat Xinhuanet ein Interview mit der Geschäftsführerin der NRW.INVEST GmbH Frau Petra Wassner geführt. Seit mehr als 20 Jahren setzt sie sich mit der Wirtschaftsförderung auseinander. Beim Interview hat Frau Wassner zuerst einen kurzen Überblick über die Situation der Investitionen der chinesischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gegeben, daraufhin wurden einige Ansichten von ihr über die Kooperation der Unternehmen zwischen beiden Ländern unter dem Hintergrund der Industrie 4.0 geäußert.

Guten Tag, sehr geehrte Frau Wassner, Wie wir bereits wissen, stellt Nordrhein-Westfalen den größten Standort für Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland dar. Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, wie chinesische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen Investitionen tätigen. Welche Schwierigkeiten sind zur Zeit vorhanden?

Wassner: Nordrhein-Westfalen pflegt schon seit über 30 Jahren intensive Wirtschaftsbeziehungen zu China. Viele unserer Unternehmen haben in China investiert. Seit etwa 10 Jahren gibt es auch eine Welle chinesischer Unternehmen, die bei uns investiert haben. Es waren 2003 nur hundert, jetzt sind es über 900 Unternehmen. Der Grund ist sicherlich, dass Nordrhein-Westfalen, die Wiege der Industrie in Deutschland, einen sehr guten Markt darstellt. Als Industriestandort haben wir sehr viele namenhafte Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wie Thyssenkrupp, Metro oder Bayer und einen großen Mittelstand in Nordrhein-Westfalen. Das ist einer der Gründe, warum die chinesischen Firmen sich für unseren Standort interessieren. Sie errichten bei uns Produktionsanlagen. Sie kaufen Firmen, Mergers & Acquisitions ist auch ein Thema. Auch viele kleine und mittelständische Unternehmen investieren bei uns, um ihre Chancen im deutschen Markt zu nutzen. Letztes Jahr hatten wir 86 neue Unternehmen aus China, dieses Jahr sind es schon 30. Und es gibt noch weitere Interessenten. Wir sehen verschiedene Branchen, die bei uns sehr dominant sind. Einmal die IT-Industrie mit Huawei und ZTE. Sie ist eine sehr wichtige Industrie bei uns. Zum anderen sind wir auch ein Standort für Maschinenbau. Wir haben z.B. die XCMG Xugong Group, die bei uns die Firma Schwing aus Herne übernommen und zugleich auch ein Werk errichtet hat sowie ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Ihre Einkaufszentrale liegt auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Außerdem gibt es auch andere wichtige Branchen wie die Automobilzulieferindustrie. Z. B. die Firma Kiekert, die durch Ling Yun übernommen wurde. Sie ist mit ihrem Schließsystem in der Automobilindustrie sehr erfolgreich. Für beide Unternehmen eine Win-Win Situation. Auch die Firma Wolong aus der Provinz Zhejiang, die ebenfalls bei uns im Automobilsektor tätig ist, hat bei uns die Firma Schorsch übernommen und wird auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aufbauen. Das ist die derzeitige Tendenz. Viele Unternehmen suchen Forschung und Entwicklung bei uns und gründen bei uns ihre Europaniederlassung, weil wir ein Standort sind, der sehr gut in Europa vernetzt ist. Man kann innerhalb einer Stunde alle europäischen Großstädte erreichen und gut das Geschäft von unserem Standort aus aufbauen.

Sicherlich ist es nicht einfach für chinesische Unternehmen bei uns zu starten. Sie brauchen ein bisschen Schützenhilfe und das bieten wir, weil wir ein Bundesland sind, was fünf Büros alleine in China hat. Sie können die Unternehmen direkt beraten und ihnen schon viele Informationen und auch die Unterschiede im deutschen Markt erläutern. Es ist auch sehr wichtig zu verstehen, wie die Mechanismen in diesem Markt funktionieren, wenn ein Unternehmen in einen neuen Markt eintritt. Wenn es anders als im Heimatmarkt ist, dann muss man ein wenig lernen und sich vor allem anpassen. Darüber hinaus finde ich die Sprachkompetenz auch wichtig für die chinesischen Firmen und dass sie unsere Business Etiquette lernen. Dazu bieten wir auch Seminare an. Man ist bei uns nicht alleine als chinesisches Unternehmen und es ist sehr wichtig, dass sich ein Cluster von chinesischen Unternehmen bildet. Eine Business Community mit 900 Unternehmen, die auch zum Teil im Unternehmensverband Chinese Enterprises Association (CEA) organisiert sind, ist schon entstanden. Da können sich die Firmen austauschen, voneinander lernen, damit sie Fehler nicht unbedingt wiederholen. Aber grundsätzlich finde ich es sehr wichtig, dass diese Business Community mit viel Infrastruktur drumherum existiert. Es gibt Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer. Man hat Konfuzius-Institute, Schulen und alles, was den Unternehmen dient. Im Prinzip sind bei uns schon alle auf China eingestellt. Ich glaube, dass ist auch ein großer Standortvorteil für die chinesischen Unternehmen selbst.

Durch Ihre Antwort können wir sehen, dass die chinesischen Unternehmen auch großen Wert auf den Markt in Nordrhein-Westfalen legen. Jetzt komme ich zur zweiten Frage. Derzeit ist die wirtschaftliche Entwicklung Chinas in die neue Normalität eingetreten. Die Fertigungsindustrie von China blickt daher einer Transformation und Aufrüstung entgegen. Welche erfolgreich umgesetzten Erfahrungen kann Deutschland mit China teilen?

Wassner: Also die neue Normalität ist für uns vielleicht eine alte Normalität. China hat sehr hohe Wachstumsraten gehabt und jetzt ist es etwas verlangsamt, aber es war eigentlich immer klar, dass China auf dem gleichen Niveau nicht weiter wachsen kann, weil natürlich das Volumen und das ganze Niveau viel umfangreicher und viel größer wird. Der Prozentanteil wird kleiner, aber es ist natürlich ein Unterschied. Vor 10 Jahren war es ein kleines Volumen, jetzt ist es ein größeres.

Ich denke, was China von Deutschland lernen kann, ist vor allem in dieser Transformation sich auf Technologie zu konzentrieren, neue Technologien zu entwickeln und im Trend der Zeit mitzugehen. Wir sind davon überzeugt, dass Chinas Wirtschaft die bedeutendste Weltwirtschaft wird. China wird auch den Weg suchen, viel zu partizipieren, vor allem mit Deutschland. Was die Technologieentwicklung angeht, ist Deutschland die Nummer 1 in Europa. Das ist die Chance der Zusammenarbeit. Im Moment spielt auch das Thema Digitalisierung der Wirtschaft, eine große Rolle. China wird sich auf dieses Thema konzentrieren und auch von dieser Dynamik, die die Digitalisierung schafft, profitieren.

Die nächste Frage handelt von Industrie 4.0. Die beiden Initiativen Industrie 4.0 und "Made in China 2025" gehen auf denselben Hintergrund zurück. In welchen Bereichen denken Sie können chinesische und deutsche Unternehmen ihre Zusammenarbeit verstärken?

Wassner: Es sind zwei unterschiedliche Konzepte, aber ich denke das Ziel ist identisch. Die Digitalisierung und Weiterentwicklung der gesamten Wirtschaft sind volkswirtschaftlich auch ganz wichtig für uns. Ich glaube, dass drei Punkte für diesen Prozess entscheidend sind. Erstens brauchen wir politisches und wirtschaftliches Vertrauen zueinander. Ich weiß, dass China und Deutschland das haben. Wir sind wichtiger Partner in Europa für China und China ist für uns der wichtigste Partner international. Aktuell kommen die meisten Investitionen bei uns aus China. Dieses Vertrauen, dass man sich kennt, über viele Jahre zusammengearbeitet hat und Erfahrungen gemeinsam gemacht hat, glaube ich ist ganz entscheidend für einen solchen dynamischen Prozess, den wir im Moment noch gar nicht ganz voraussehen können.

Dann brauchen wir natürlich eine enge wirtschaftliche Verflechtung. Tausende von deutschen Firmen haben hier in China investiert. China ist die Werkbank für uns gewesen und ist es vielleicht zum Teil auch noch, aber entwickelt sich weg von dieser Funktion. Unsere Wirtschaft profitiert auch jetzt davon, wenn chinesische Unternehmen verstärkt nach Deutschland kommen. Es passiert im Moment eine sehr enge wirtschaftliche Verflechtung, alleine bei den Übernahmen, bei den Mergers & Acquisitions. Und da zielen beide Wirtschaften auf bestimmte Branchen, in denen wir stark sind und da spielt die Digitalisierung eine große Rolle.

Ich denke auch, dass wir gemeinsam Strategien der Zusammenarbeit entwickeln. Die Digitalisierung, die unsere gesamte Arbeitswelt und unser gesamtes Leben verändern wird, ist ein neues Thema. Wir haben neue Modelle, smart factories, smart cities und ich weiß, dass China auch schon neue Modelle entwickelt hat. China hat bewiesen, wie dynamisch die wirtschaftliche Entwicklung in so kurzer Zeit sein kann. Das ist eigentlich ein Phänomen, was wir weltweit nirgends in dieser Wachstumsstärke erlebt haben. Deswegen wird die Digitalisierung auch in China schneller als bei uns vorangetrieben werden können. Die Super-Unternehmen wie Alibaba, Xiaomi, Huawei, Tencent oder auch ZTE (Alibaba: chinesische IT-Firmengruppe; Xiaomi: chinesischer Smartphone-Hersteller; Huawei & ZTE: chinesischer Telekommunikationsausrüster; Tencent: chinesisches Internet-Unternehmen;) sind schon Anzeichen, dass China überall führend werden kann und ich würde mir sehr wünschen, dass wir genau an diesen Stellen bei der Digitalisierung zusammenarbeiten und voneinander profitieren. Wir haben in unserer Forschung sicherlich einige zielführende, innovative Produkte. China hat mit großen Marken mittlerweile auch eigene, neue Produkte im IT-Sektor. Das sehe ich als die Chance für die Zukunft, dass wir auf dieser Vertrauensplattform sehr fruchtbar zusammenarbeiten können.

Frau Wassner, die nächste Frage behandelt den Umweltschutz. Umweltschutz ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Wir möchten uns erkundigen, welche erfolgreichen Projekte der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und chinesischen UnternehmenIhnen in diesem Bereich schon bekannt sind?

Wassner: Ich denke Umwelt und Umweltschutz ist ein ganz wichtiges Thema und es liegt mir besonders am Herzen. Wir haben leidvolle Umweltsünden in Deutschland begangen. Gerade bei uns im Ruhrgebiet (die industrielle Kernzone Deutschlands) war die Umwelt wirklich sehr betroffen, kontaminierte Luft, verunreinigtes Wasser usw. Im Ruhrgebiet war vor zwei Jahrzenten ein sehr großes Projekt, das Gebiet wieder zu einer sauberen Landschaft umzuwandeln und zu renaturisieren, die Umwelt wieder herzustellen. Ich glaube China kann von diesem Modell sehr viel adaptieren und lernen.

Ich denke, dass wir bereit sind, China zu unterstützen, wir haben bestimmte Technologien für Umweltreinigung und auch Recycling-Systeme. Da gibt es schon sehr viele Projekte, die im Gange sind. Im Moment ist unsere Oberbürgermeisterin Reker aus Köln mit einer Delegation hier in Peking. Dort gibt es konkrete Projekte der Zusammenarbeit im Umweltbereich.

Jetzt kommen wir zur letzten Frage. Welche neuen Aktivitäten für Investitionsförderung gibt es dieses Jahr bei Ihnen? Können Sie uns etwas darüber berichten?

Wassner: Wir veranstalten in dem Jahr verschiedene Kongresse, um eine Plattform für die Zusammenarbeit mit China zu bilden. Zunächst ist die “One Belt – One Road”-Initiative sehr wichtig. Wir haben den “Yuxinou"-Zug zum Beispiel, der von Chongqing nach Duisburg in Nordrhein-Westfalen fährt. Der Zug fährt jetzt täglich zwischen Deutschland und China.So eine gute Verbindung gehört auch dazu Investitionen zu fördern bzw. Handel zu betreiben.

Am 2. September wird ein großes China-Forum in Köln stattfinden. Wir hatten im letzten Jahr ein ähnliches Forum, da waren 60 Unternehmen aus China in Delegationen gekommen. Im Zentrum dieses Forums steht die Digitalisierung. Wir möchten die Chancen der Digitalisierung aufzeigen und uns vor allem mit dem Thema Startups, also neue Firmengründungen beschäftigen. China legt auch Wert auf Gründungen, neue Entwicklungen in der Wirtschaft und hat auch Mittel, zur Verfügung gestellt, um Gründer zu fördern. Das möchten wir zusammenbringen. Der chinesische Botschafter in Deutschland hat mit unserer Ministerpräsidentin die Schirmherrschaft für diesen Kongress übernommen. Es freut uns natürlich sehr, dass die Politik das auch unterstützt, dass wir mit den Unternehmen der Wirtschaft zusammenarbeiten. Chinesische Unternehmen sind herzlich eingeladen am 2. September 2016 an dem Business & Investors Forum China in Köln teilzunehmen.

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