Lahm: Große Mannschaften entstehen nicht durch Geld – dazu sind Identifikationsfiguren nötig
Das Spiel in der Champions League zwischen Bayern München und Juventus am heutigen Abend ist das 100. Spiel der Champions League von Philipp Lahm für Bayern München. (Archivfoto: Lahm (l.) hebt die Trophäe der Champions League)
BEIJING, 23. Februar (Xinhuanet) -- 13. November 2002 - es war die 90 Minute, Spielstand 3:3 gegen den RC Lens, als mich Ottmar Hitzfeld, damaliger Trainer des FC Bayern, auf den Rasen des Münchner Olympia Stadions schickte. Es war ein kalter Herbsttag. Ich trug ein langärmliges rotes Trikot, die Hose war dunkelblau, Rücknummer 29. Beides wirkt heute auf den Bildern etwas zu groß. Das Stadion war spärlich – definitiv nicht annähernd bis auf den letzten Platz - besetzt. Das Spiel nach der schlechtesten Champions League Vorrunde in der Vereinsgeschichte sportlich unbedeutend. Ich wurde für Markus Feulner eingewechselt. Mein Einsatz dauerte in etwa eine Minute, immerhin dennoch mit Ballkontakt. Das war mein erstes Pflichtspiel für die erste Mannschaft des FC Bayern München und gleichzeitig mein Debüt in der Champions League.
Wenn ich mir heute die Bilder anschaue, muss ich schmunzeln wie jung ich damals ausgesehen habe. Zwei Tage vor dem Spiel hatte ich meinen 19. Geburtstag gefeiert. Aber weder beim Ausblasen der Kerzen auf dem Kuchen, noch im Moment meiner Einwechslung, hätte mir eine Karriere erträumt, wie ich sie mit diesem Tag gestartet habe.
Heute Abend geht es für mich in mein 100. Champions League Spiel. Eine Zahl, die auch mich beeindruckt, obwohl ich ansonsten wenig auf Statistiken und Rekorde in Tabellen gebe. Bei dieser Zahl empfinde ich Dankbarkeit, denn ich weiß, dass viel zusammenkommen und stimmen muss, um einen solchen Weg im Sport gehen zu können.
Umso mehr freut es mich, dass ich dieses besondere Spiel gegen Juventus Turin bestreiten darf – gegen einen großen Verein, mit einer eigenen Identität und großen Spielern und großartigen Charakteren.
Wenn ich über alle Spiele seit 2002 Bilanz ziehe, dann ist das für mich das Hauptkriterium für langfristig erfolgreiche Vereine – große Spieler, die mit dem Klub groß geworden sind, deren Namen eng mit den Erfolgen verknüpft sind und die sich umgekehrt zu 100 Prozent mit der Mannschaft, dem Verein und dessen Geschichte identifizieren.
Wenn ich an Spiele oder Wettbewerbe zurückdenke, dann denke ich immer auch an die Auseinandersetzung mit deren herausragenden Spielern. Bei Barcelona an Xavi und Iniesta, bei Real Madrid an Ilker Casillas und Ramos. Auch bei meinen ersten Begegnungen mit Manchster United oder Chelsea, damals im Trikot des VfB Stuttgart, sind es Ryan Giggs und Scholes bei ManU sowie Terry und Lampard bei Chelsea, die in meinem Gedächtnis auftaucht und unumstößlich mit dem jeweiligen Verein und seinen Erfolgen zu der Zeit verknüpft sind.
Ich bin überzeugt, dass wirklich große Mannschaften immer diese Identifikationsfiguren hatten - und in die Zukunft gesprochen, auch nur solche Teams bestehen werden, die diese Persönlichkeiten entwickeln. Große Mannschaften brauchen einen Kern an Spielern, die aus den eigenen Reihen kommen, mit dem Verein wachsen und die jeweilige Kultur verinnerlichen, auf dem Platz sichtbar machen und nach außen repräsentieren.
Ich denke nicht, dass sich wirklich große Mannschaften durch Geld zusammenstellen lassen, wie das in Paris Saint Germain oder Manchester City versucht wird.
Ein AC Mailand ohne Maldini und Baresi wäre nicht derselbe Klub gewesen und hätte sicher nicht dieselben Erfolge gefeiert.
Wenn heute international große Mannschaften aufeinander treffen, dann haben beide Teams teure Spieler mit extrem hoher individueller Klasse. Aber durchsetzen wird sich immer die Mannschaft, die mehr Spieler auf dem Platz stehen hat, die den Erfolg unbedingt wollen - und zwar nicht nur für sich, sondern für ihren Verein.
Als wir 2013 die Champions League gewonnen haben – ist das einer Mannschaft gelungen, die sich diesen Erfolg über Jahre gemeinsam erarbeitet hat. Einer Mannschaft, die diesen Sieg wollten, nicht für sich, sondern mit ihrem Klub.
Dazu zähle ich bei uns auch ganz klar Arjen Robben und Franck Ribery. Sie haben beide über die Jahre die Bayern-Identität verinnerlicht. Denn Identifikation ist keine Frage der Nationalität, aber sie braucht Zeit. Es geht darum, dass man sich auf eine Sache ganz und gar einlässt.
Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute Abend auf Juventus Turin treffen. Mit Spielern wie Gianluigi Buffon. Buffon ist Juve.
Es wird eine Partie gegen einen großen Verein.
Mein 100. Spiel in der Champions League. Im Trikot des FC Bayern, in das ich seit 2002 hineingewachsen bin.
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