Fußball braucht Leidenschaft

Euro 2016 Kolumne Philipp Lahm

Fußball braucht Leidenschaft

Von Philipp Lahm

Die EM 2016 ist seit drei Tagen vorbei. Für mich war es das erste große Turnier seit 2002, bei dem die beiden Buchstaben nicht für Europameisterschaft, sondern für Entspanntes Mitfiebern gestanden haben.

Der Blick von außen hat mir etwas sehr Einfaches und doch Zentrales wieder bewusst gemacht: Fußball ist ein Spiel. Und wie es Sepp Herberger auf den Punkt gebracht hat: Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.

Diese Unberechenbarkeit macht es spannend und jedes einzelne Spiel zu einem neuen Erlebnis. Seit einigen Jahre bei EMs und WMs sogar zu Ereignissen. Man verabredet sich mit Freunden zu Hause oder in Kneipen oder im Biergarten, es wird gegessen und getrunken und man schaut zusammen Fußball.

Durch Trikots, Fahnen oder auch Tippspiele legt sich jeder auf seine Mannschaft fest. Das erhöht den Reiz. Ermöglicht das Mitfeiern und Mitleiden. Es gibt dadurch auch unter den Zuschauern Gewinner und Verlierer. Diese Art der Identifikation, nach so vielen Jahren mitten drin, wieder zu erleben, war schön.

Ich habe mich in die Zeit zurück versetzt gefühlt, als ich noch in den Jugendmannschaften gespielt habe. Das letzte eigene Spiel ist noch im Kopf und dann schaut man im Vereinsheim das Spiel der "Großen" an. Der Ausgang jeder Situation ist offen, die eigene Lösung ist klar, die Lösung, die der Spieler wählt ist entsprechend gut oder schlecht. 90 Minuten oder länger ist man so voll dabei.

Besonders begeistert haben mich, wie viele bei dieser EM Nationen wie Wales, Nordirland und Island. Nicht, weil sie überragenden Fußball gezeigt haben, sondern weil sie auch in Partien gegen klar favorisierte  Mannschaften mit Mut, Geschlossenheit und einer eigenen Idee beeindruckt haben. Weil sie den Stars, der längeren Tradition und der besseren Infrastruktur ein Lied oder ein Hu entgegengesetzt haben. Das hat großen Spaß gemacht. Diese Leidenschaft braucht Fußball. Diese Leidenschaft setzt nicht planbare Dynamiken frei und macht vermeintlich unterlegene Mannschaften zu schwer schlagbaren Gegnern, die glückliche Momente für sich nutzen können. Island-England hat dadurch gezeigt, was auch für Begegnungen wie Deutschland-Frankreich gilt: Fußball ist ein Spiel. Glück und Zufall entscheiden immer mit, wer am Ende gewinnt.

Es ist schön, dass man nicht vorhersagen kann, wer das ist.

2016 heißt der glückliche Gesamtsieger Portugal und der EM-Pokal wandert in ein Land, das immer gute Fußballer hervorgebracht hat. Junge Talente, die es sicher nicht durch Zufall und Glück ganz nach oben geschafft haben, sondern durch harte Arbeit und Disziplin. Wie Renato Sanches.

Die aber bei allem Bemühen nichts gegen die Unberechenbarkeit des Spiels ausrichten können.

Am Ende gewinnt nicht der Fleißigste oder in messbaren Einheiten Beste, sondern der Glückliche. Und das ist gut so.

Das macht den Erfolg noch wertvoller und die Gefühle unbeschreiblich, wie ich 2014 bei unserem WM-Sieg selbst erleben durfte.

Es geht dann nicht mehr um den Weg, sondern um den Moment und darum, das Glück zu genießen.

Deshalb: Gratulation an den Europameister 2016! Gratulation an Portugal!

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GERMAN.XINHUA.COM 2016-07-13 08:54:59

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Diese Unberechenbarkeit macht es spannend und jedes einzelne Spiel zu einem neuen Erlebnis. Seit einigen Jahre bei EMs und WMs sogar zu Ereignissen. Man verabredet sich mit Freunden zu Hause oder in Kneipen oder im Biergarten, es wird gegessen und getrunken und man schaut zusammen Fußball.

Durch Trikots, Fahnen oder auch Tippspiele legt sich jeder auf seine Mannschaft fest. Das erhöht den Reiz. Ermöglicht das Mitfeiern und Mitleiden. Es gibt dadurch auch unter den Zuschauern Gewinner und Verlierer. Diese Art der Identifikation, nach so vielen Jahren mitten drin, wieder zu erleben, war schön.

Ich habe mich in die Zeit zurück versetzt gefühlt, als ich noch in den Jugendmannschaften gespielt habe. Das letzte eigene Spiel ist noch im Kopf und dann schaut man im Vereinsheim das Spiel der "Großen" an. Der Ausgang jeder Situation ist offen, die eigene Lösung ist klar, die Lösung, die der Spieler wählt ist entsprechend gut oder schlecht. 90 Minuten oder länger ist man so voll dabei.

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Es ist schön, dass man nicht vorhersagen kann, wer das ist.

2016 heißt der glückliche Gesamtsieger Portugal und der EM-Pokal wandert in ein Land, das immer gute Fußballer hervorgebracht hat. Junge Talente, die es sicher nicht durch Zufall und Glück ganz nach oben geschafft haben, sondern durch harte Arbeit und Disziplin. Wie Renato Sanches.

Die aber bei allem Bemühen nichts gegen die Unberechenbarkeit des Spiels ausrichten können.

Am Ende gewinnt nicht der Fleißigste oder in messbaren Einheiten Beste, sondern der Glückliche. Und das ist gut so.

Das macht den Erfolg noch wertvoller und die Gefühle unbeschreiblich, wie ich 2014 bei unserem WM-Sieg selbst erleben durfte.

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